Wohnen statt unterbringen

Selbstbestimmtes Leben dank Pilotprojekt „Housing First“: Rund 30 ehemalige Obdachlose müssen im Winter nicht mehr auf die Straße oder in Notunterkünfte

Fast ein Jahr nach dem Projektstart von Housing First (Zuerst ein Zuhause) sind 29 Berliner Obdachlose in eigene Wohnungen gezogen. 17 weitere Wohnungen sind nach Angaben der Projektpartner in Aussicht.

So hat etwa der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) bislang Unterkünfte für 13 Frauen gefunden. „Darüber hinaus haben uns Vermieter elf weitere Wohnungen versprochen“, sagte Sprecherin Charlotte Riepe. Die ehemals wohnungslosen Mieterinnen im Alter zwischen 23 und 75 Jahren werden von Sozialarbeiterinnen begleitet und können die Unterstützung nach Bedarf annehmen. „Manche haben schon eine Arbeit oder Ausbildung gefunden, andere haben eine Therapie begonnen“, so Riepe.

Der ebenfalls beteiligte Verein Neue Chance habe in Kooperation mit der Stadtmission 16 Obdachlose mit Wohnungen versorgt, teilte Sebastian Böwe von der Immobilienverwaltung des Vereins mit. „Eine weitere Person steht kurz vor dem Einzug, und wir haben noch feste Zusagen für mindestens fünf Wohnungen“, so Böwe.

Das im Oktober gestartete Modellprojekt strebt an, in drei Jahren bis zu 80 Wohnungen für Obdachlose zu finden. Die Menschen bekommen ohne Vorbedingungen einen unbefristeten Mietvertrag und sozialpäda­gogische Unterstützung. Zuvor scheiterten viele an den Voraussetzungen, um eine Wohnung zu erhalten, zum Beispiel mögliche Schulden oder Sucht in den Griff bekommen.

Für das Projekt stellte die Sozialverwaltung unter Senatorin Elke Breitenbach (Linke) in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt mehr als 700.000 Euro zur Verfügung. Die Idee, Obdachlosigkeit auf diese Weise langfristig zu bekämpfen, kommt aus den USA und zeigt auch in einigen europäischen Ländern Erfolge. In Berlin leben Schätzungen zufolge bis 10.000 Menschen auf der Straße. Im kommenden Jahr sollen sie erstmals gezählt werden. (taz, dpa)