Verbot des Pestizids Glyphosat 2024?: Für Jubel ist es zu früh

Die Bundesregierung hat angekündigt, das unter Krebsverdacht stehende Glyphosat ab 2024 zu verbieten. Aber: Diese Regierung ist nur bis 2021 im Amt.

Ein Traktor mit Anhängerspritzer versprüht Pestizide

Der einflussreiche Bauernverband wird alles tun, um die Verbote zu verhindern Foto: imago images/photothek

Es klingt erst mal gut, dass sich die Bundesregierung auf ein Komplettverbot des Pestizids Glyphosat geeinigt hat. Im Sinne der Umwelt ist es auch, ab 2021 Unkrautvernichter und bestimmte Insektenkiller nicht mehr in Naturschutzgebieten zu erlauben. Beides hat das Kabinett am Mittwoch beschlossen.

Solche Schritte sind überfällig. Die von der Chemieindustrie unabhängige Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorga­nisation hat Glyphosat bereits 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Zwar sehen die meisten Zulassungsbehörden das anders. Sie berufen sich aber durch die Bank auf Studien der Branche, und manche haben ihre Gutachten teils wortwörtlich von den Konzernen abgeschrieben.

Glyphosat tötet so gut wie alle Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel sowie Insekten. Andere Pestizide beeinträchtigen Insekten direkt, auch Nichtschädlinge.

Aber für Jubel ist es zu früh. Denn die Kabinettsbeschlüsse sind nicht rechtsverbindlich. Dieser Koalition sollte man jedoch in Sachen Pestiziden misstrauen, bis sie konkrete Regeln beschließt. Schließlich hat der damalige CSU-Agrarminister 2017 sogar gegen den Willen des Koalitionspartners SPD und damit gegen die Geschäftsordnung der Regierung die aktuelle EU-Zulassung von Glyphosat durchgeboxt.

Die Große Koalition will warten

Der einflussreiche Bauernverband und die Chemielobby werden alles tun, um die Verbote zu verhindern. Dafür haben sie noch viel Zeit. CDU/CSU und SPD haben angekündigt, den Glyphosateinsatz zum 1. Januar 2024 zu beenden. Diese Bundesregierung ist aber regulär nur bis 2021 im Amt. Die maßgebliche Verordnung könnte die Nachfolgeregierung sogar ohne den Bundestag ändern.

Die Große Koalition will trotz aller Risiken noch bis 2024 mit dem Glyphosatverbot warten, weil erst dann Übergangsfristen enden, nachdem die derzeitige EU-Zulassung ausläuft. Doch bis 2022 wird die Europäische Union darüber entscheiden, ob sie eine neue Erlaubnis erteilt. Niemand weiß, wie dann die Mehrheiten in den Mitgliedstaaten sein werden. Sollten sie Glyphosat doch wieder durchwinken, würde die Bundesregierung unter erheblichen Druck geraten, ein möglicherweise beschlossenes nationales Verbot zu stoppen.

Unklar ist auch, ob künftig in Naturschutzgebieten tatsächlich keine Unkrautvernichter mehr ausgebracht werden. Schließlich erlaubt der Kompromiss der Bundesregierung ausdrücklich „Ausnahmen, die zur Bewirtschaftung erforderlich sind“.

Wenn diese Regierung es ernst meinte mit dem Schutz der Gesundheit und dem Kampf gegen das Insektensterben, hätte sie den Einsatz der Pestizide viel früher eingeschränkt.

Sicher ist also bisher nur: Glyphosat bleibt bis auf Weiteres erlaubt – genauso wie Pestizide in Naturschutzgebieten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.