Chaostage an der Uni Göttingen

Nach der gescheiterten Wahl von Sascha Spoun zum Unipräsidenten hagelt es Rücktrittsforderungen

Von Reimar Paul

Turbulent ist es an der Universität Göttingen derzeit. An der Spitze der größten Hochschule Niedersachsens reihen sich Rücktritte und Rücktrittsforderungen aneinander, Gremien und Professoren befehden sich.

Aufgebrochen ist der Konflikt durch die umstrittene Wahl des Lüneburger Uni-Präsidenten Sascha Spoun zum neuen Präsidenten der Göttinger Uni im Juni – die derzeitige Präsidentin Ulrike Beisiegel hat ihren vorzeitigen Rücktritt zum 30. September angekündigt. Dutzende Hochschullehrer protestierten gegen die Wahl Spouns – der sei „forschungsfern“ und kein international ausgewiesener Wissenschaftler – und kritisierten das Wahlverfahren als undurchsichtig. Spoun war zunächst Berater der Göttinger Findungskommission und schließlich als einziger Kandidat übrig geblieben. Zwei frühzeitig ausgeschiedene Bewerber klagten zudem vor dem Verwaltungsgericht.

Am Mittwoch vergangener Woche erfolgte der erste Paukenschlag: Spoun teilte mit, dass er nicht nach Göttingen wechselt. Weil so schwerwiegende Zweifel an der Rechtskonformität des Wahlverfahrens bestünden, könne und wolle er für das Präsidentenamt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Der nächste Rücktritt erfolgte nur einen Tag später. Dieses Mal warf Wilhelm Krull, der Vorsitzende des mächtigen Stiftungsrates, das Handtuch. Seit 2003 ist nicht mehr das Land Niedersachsen, sondern eine Stiftung öffentlichen Rechts Trägerin der Uni. Krull, der auch Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung ist, hatte das Wahlverfahren zum Präsidentenamt moderiert.

Der Rückzug erfolge „aufgrund der aus formalrechtlichen Gründen gescheiterten Berufung von Herrn Spoun zum neuen Präsidenten“, erklärte Krull – jedoch „völlig unabhängig von entsprechenden Rücktrittsforderungen“. Die hatten wenige Stunden zuvor nämlich fünf von 13 stimmberechtigten Senatoren der Universität sowie auch der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (Asta) erhoben. Sollte Krull nicht seinen Posten als Stiftungsratsvorsitzender räumen, wollten die Senatoren ihrerseits zurücktreten. Der Senat hat das letzte Wort bei der Besetzung des Präsidentenamtes. Ende Juni hatte bereits die gegen die Wahl Spouns protestierende Gruppe von Professor/inn/en Krulls Rücktritt verlangt.

Weitere Rücktritte dürften folgen. Aus Sicht der rund 40 Professoren, die das Wahlverfahren am schärfsten kritisiert haben, muss auch Senatssprecher Nicolai Miosge gehen. Und die fünf Senatoren, die zuvor Krulls Rücktritt gefordert hatten, am besten gleich mit. „Mit diesem Senat ist ein Neuanfang in vertrauensvoller Zusammenarbeit nicht möglich“, so die Professoren.

Inzwischen ist der Hochschulstreit auch Thema in der Landespolitik. Die Grünen verlangen in einer Parlamentsanfrage, dass die Landesregierung den genauen Ablauf des geplatzten Wahlprozesses nachvollzieht: „Das intransparente und rechtsfehlerhafte Verfahren zur Regelung der Nachfolge von Ulrike Beisiegel hat einen Scherbenhaufen hinterlassen.“ Landtagspräsidentin Gabriele Andretta (SPD) appellierte mit Blick auf das internationale Renommee der Uni an die Beteiligten, „dieses Hickhack zu beenden und nach konstruktiven Lösungen zu suchen“. In Göttingen soll bis auf Weiteres eine der bisherigen Vizepräsidentinnen die Geschicke der Uni leiten.