Der Lieferant der Piraten

INTERNET Kim „Kimble“ Dotcom Schmitz agiert hart an der Grenze des Erlaubten, manchmal auch darüber hinaus. Nun scheint der Onlineunternehmer seinen Hals wieder einmal aus der Schlinge zu ziehen

BERLIN taz | Anfang des Jahres schien alles klar: Die Ermittlungsakte von FBI und US-Justizministerium war dick genug, um einen internationalen Haftbefehl gegen Kim Schmitz wegen Verstößen gegen das Urheberrecht zu erwirken. Von Hongkong aus hatte Schmitz Megaupload und Megavideo, einen Dateilagerungs- und einen Videostreamingdienst, betrieben. Mit ihnen konnten Nutzer problemlos an Filme, Musik und alle anderen Arten von Dateien kommen. „Wir sind keine Piraten, wir sind der Lieferdienst für Piraten“, steht in Mails, die das FBI zu lesen bekam. Den Inhabern von Musik- und Filmrechten ist so angeblich eine halbe Milliarde Dollar Schaden entstanden. Dotcom wurde festgenommen, sein Vermögen beschlagnahmt. Ihm drohen in den USA 20 Jahre Haft.

Doch nun scheint er wieder den Kopf aus der Schlinge gezogen zu haben: „Breaking News“ twitterte Dotcom in der vergangenen Woche. „Das Gericht hat gerade die Freigabe einbehaltener Vermögenswerte verfügt, damit wir unsere Anwaltskosten zahlen können.“ Die Richterin habe sechs Millionen Neuseeländische Dollar (3,8 Millionen Euro) freigegeben und den Verkauf konfiszierter Autos genehmigt, darunter eines Mercedes E 500 und eines Rolls-Royce Coupés.

Schmitz verdiente an Werbung und Premiumnutzern, die zahlten, um mit weniger Einschränkungen die Megadienste nutzen zu können. Offenbar verdiente Schmitz gut. Hunderttausende, wenn nicht Millionen nutzten seine Angebote. Der gebürtige Kieler leistete sich eine Villa in Neuseeland und jede Menge dicke Autos.

Weggefährten loben seine Fähigkeit, immer wieder aufzustehen. Kim Schmitz sei einer, der Witz habe und gerissen sei. 1992 hatte er der Zeitschrift Capital gezeigt, dass er sich angeblich in beliebige Telefonate in den USA einhacken könne. Nach Aussage anderer Beteiligter konnte die Software allerdings zwar in fremde Telefonate hineinhorchen – allerdings nur zufällig. Das Magazin erkannte das jedoch nicht. Schon im Chaos Computer Club war Schmitz oft durch großspurige Äußerungen aufgefallen.

Ende der 1990er startete Schmitz das Unternehmen Data Protect Consulting: Es bot Unternehmen IT-Sicherheitsdienstleistungen an. Sogar der TÜV Rheinland/Brandenburg stieg ein, kaufte 80 Prozent der Firma. Wenig später, 2001, ging sie Bankrott. Schmitz machte den TÜV dafür verantwortlich. Er erledigte auch die PR für die Firma – vor allem die negative. Denn die Data-Protect-Episode fiel zeitlich mit einer anderen zusammen: Schmitz hatte angekündigt, mit 40 Millionen Euro bei der in Schwierigkeiten steckenden Firma letsbuyit.com einzusteigen, einem der Stars der New Economy. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen Insiderhandels. Schmitz ging ins Ausland, schrieb von seinem Hotel aus E-Mails. In den Maildaten stand: Hyatt Hotel Bangkok, Thailand. Schmitz wurde zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung und 100.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Statt das Unternehmen zu retten, habe er mit dem Aktienkurs spekuliert – Insidergeschäfte, befand das Amtsgericht München.

Schmitz ging nach Neuseeland, es wurde still um ihn. Bis das FBI anfing, den „Megaverschwörer“ zu überwachen. „Legends may sleep, but they never die“ – Legenden schlafen, aber sterben nie –, schrieb Kim Dotcom Schmitz auf seine Website Kimble.org. Sollte er ausgeliefert werden, würde der Schlaf wohl etwas länger dauern. FALK LÜKE