Kongolesische Kunst in Berlin: Die Ahnen heraufbeschwören

Die Ausstellung „Yambi – Our House is your House“ in der Acud Galerie in Mitte zeigt Kontraste und Gemeinsamkeiten zwischen Kinshasa und Berlin.

Der Ausstellungsraum der Acud Galerie: im Raum sind die verschiedenen Installationen zu sehen

Viele einzelne Geschichten: In der Acud-Galerie trifft zurzeit der Kongo auf Berlin Foto: Chris Shongo

Melodische Klänge durchdringen die Ruhe in der Acud Galerie. Nebel steigt auf, der Gesang wird lauter. Jeannette Banwata Mansanga Beki interpretiert Gesänge der Ngunza, einer traditionellen Guru-Gemeinschaft. Sie schließt die Augen, wirkt wie in Trance. Ihre Stimme füllt den Raum, obwohl sie nur auf einem Bildschirm anwesend ist.

Sechs Künstler*innen aus Kinshasa und Berlin haben in den vergangenen drei Wochen gemeinsam an der Ausstellung „Yambi – Our House is your House“ gearbeitet, die am Freitag eröffnet worden ist. Elemente aus Musik, Film, Fotografie und bildender Kunst sind dabei entstanden. Sie zeigen Kontraste und Gemeinsamkeiten zwischen Berlin und dem kongolesischen Kinshasa. Dabei erzählt jedes Element eine Geschichte.

In der Zeit, als Belgien die Kolonialmacht im Kongo war, wurden traditionelle Gurus und Hei­ler*innen wie die Familie Bekis verfolgt. In einem Video wird sie von ihrem Enkel Wilfried Luzele Vuvu interviewt, der die Familientradition fortführt und in seiner Rolle als Ngunza-Guru bei musikalischen Darbietungen die Ahnen heraufbeschwört. So auch bei der Eröffnungsshow. Mit rotem Umhang und Zepter singt er sich in Trance. Auf moderne Rumba-Rhythmen legt er die traditionellen Gesänge, die er von seiner Oma gelernt hat. Sie sind schrill und gleichzeitig euphorisch.

Fußspuren auf dem Boden des Ausstellungsraums deuten den Weg. Sie sind flankiert von kleinen Bong-Skulpturen des Berliner Künstlers Matti Schulz. Am Ende der Spuren steht eine Holzinstallation von Orakle Ngoy. Sie ist angelehnt an der Wand und macht einen wackeligen Eindruck. Zugleich wirkt sie wie eine harte Grenze. Denn die Fußspuren laufen direkt auf die Wand zu. Die Installation zeigt den oft empfindlichen Übergang zwischen Grenzen und Freiheit. Mit der Nebelmaschine, die Teil der Installation ist, wird der Übergang noch trüber.

Die Ausstellung im Acud macht neu, Veteranenstr. 21 in Mitte, ist dort bis zum 14. September zu sehen, jeweils von Donnerstag bis Samstag, 14 bis 19 Uhr.

In Kinshasa treffen Tradition und Moderne aufeinander

Im Raum hängen Folk-Kostüme und eine Regenjacke aus recycelten Wassertüten zusammen an einer Kleiderstange. Das Material kommt von der Straße. Die Kreationen von Chris Shongo symbolisieren Vergangenheit und Zukunft. Denn Kinshasa ist eine der am schnellsten wachsenden Metropolen der Welt. Tradition und Moderne treffen dort aufeinander.

Im Nebenraum ist das Heute zu sehen, kongolesische Popkultur. Eine Ecke des Raums ist regelrecht tapeziert mit Postern. Sie zeigen die Hoffnungen und Träume der Kon­goles*innen. Erfolgreiche Fußballer und Rap­per*in­nen aus ganz Afrika sind vertreten. Die Poster wirken wie Heiligenbilder. Andere zeigen schnelle Autos und große Häuser mit viel Prunk und Kitsch. Im Mittelpunkt dieser Szenen stehen Macht, Reichtum und Geld.

Direkt gegenüber zeigen Fotografien von Chris Shongo den Alltag in Kinshasa: bunt angezogene Straßenkünstler*innen und gelbe Kleinbusse. Aber vor allem: viele Menschen und wenig Raum. Die Fotografien zeugen von der urbanen Geschwindigkeit, die Kinshasa und Berlin eint.

Dass jene Geschwindigkeit der globalisierten Welt zum Problem werden kann, symbolisiert eine Skulptur von Lucile de Witte: eine Weltkugel, die von zwei Händen getragen wird. Dabei sind Weltkugel und Hände trennbar. Vorbild war eine größere Installation in Kinshasa, die ein Kleinbus zerstört hat. Sie steht für die Empfindlichkeit des Friedens, für die Vergänglichkeit des Jetzt. Mitten im Raum wirkt sie wie eine Mahnung. Sie ist zugleich ein Aufruf, sich die Hände zu reichen.

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