Diversity in den Medien: Wider den blinden Fleck

Viele Redaktionen werden von weißen Männern dominiert. In „Unbias the News“ schreiben 31 Journalist*innen wie Vielfalt besser gelingen kann.

Afghanische Journalistinnen und Journalisten in einem Meeting in einem Newsroom in Kabul am 7. September 2018.

Afghanische Jour­nalist*innen bekommen nur 30 Euro für ihre Texte? Quatsch! Foto: reuters

Wer denkt, dass die Krise des Journalismus mit „R“ anfängt und „elotius“ aufhört, sollte das neue Buch „Unbias the News. Warum Journalismus Vielfalt braucht“ des internationalen Journalist*innennetzwerks hostwriter nicht lesen. Für alle anderen ist es eine erfrischend andere Form, sich mit den Erzählungen im Buch auf eine Reise zu den blinden Flecken in den Redaktionen und in der Berichterstattung zu machen. Objektiv, neutral und unabhängig soll „der Journalismus“ und somit auch die ihn Ausübenden sein, sind es aber in vielen Fällen nicht. Die Anthologie liefert dafür genügend Beispiele.

Wenn die freie Journalistin und Hostwriter-Gründerin Tabea Grzeszyk (um nur mal den europäischen Vergleich anzustreben) schreibt, dass die letzten Zahlen aus Großbritannien von 2016 „94 Prozent weiße Journalist*innen, davon 55 Prozent männlich“ ergaben, dann werden die Dimensionen klarer. Dieser Überhang in Redaktionen mache weiße Männer noch lange nicht zu schlechten Journalisten. Sie könnten jedoch nur einen Teil der Gesellschaft abbilden, da auch Journalisten stereotypisierten Annahmen und unbewussten Vorurteilen ausgeliefert seien.

Anfang des Jahres rief hostwriter Journalist*innen der ganzen Welt dazu auf, sich mit Texten an der Publikation zu beteiligen. Entstanden ist ein fabelhaft illustriertes Buch dank der Künstlerin Moshtari Hilal und einem Kaleidoskop an journalistischen Stimmen von 31 Au­tor*in­nen von Ägypten über Madagaskar bis Tadschikistan.

„Unbias the News. Warum Journalismus Vielfalt braucht“. Herausgegeben von: Hostwriter/Correctiv, 25 Euro

Die brasilianische Journalistin Pricilla Pacheco schreibt beispielsweise darüber, wie eine schwächelnde Internetverbindung an ihrem Wohnort am Stadtrandgebiet ihre Arbeit erheblich belastet. Empörende, manchmal tieftraurige, aber letztendlich Mut machende Erfahrungen sind das, die der Leser*in keine Antwort, aber den Blick öffnen für dieses Berufsfeld, in dem es für Journalistinnen manchmal besonders hart ist, weil sie nicht nur im Internet, sondern auch konkret am Arbeitsplatz gegen Sexistisches ankämpfen müssen.

„Raubtiere im Newsroom“ nennt die indische Journalistin Anuradha Sharma ihren Bericht aus zehn Jahren Berufserfahrung in Redaktionen und fragt sich, wo sie wohl heute wäre, hätte sie nicht ständig sexuelle Belästigungen und eine stetige Behinderung durch männliche Kollegen ertragen müssen.

Eine Reise im Zickzack

So drehen sich einige Texte im Buch auch darum, was es heißt, in einem überwiegend von männlichen Hierarchien geprägten Berufsfeld sein Geld zu verdienen. Texte, die unbequeme, aber wichtige Fragen aufploppen lassen: Wie ist es wohl, wenn du als Freiberuflerin gerade ein Baby bekommen hast und schon wieder arbeiten musst, weil du sonst keine Aufträge mehr bekommst? Weißt du, wie es sich anfühlt, als nichtbinäre Person zu leben und zu arbeiten? Weißt du, wie ein Journalist im Rollstuhl arbeitet?

Der freie Journalist Emran Feroz schreibt von seinen Erfahrungen mit deutschen Redaktionen, die ihm unter anderem für eine Geschichte 30 Euro anbieten, „weil man Afghanen eben so viel zahlt“. Dass das erstens faktisch nicht stimmen kann und zweitens Feroz Austro-Afghane ist, um genau zu sein – das tut dann schon fast weh, diese Überheblichkeit an der Seite von Feroz mitzuerleben.

Die Reise durch die Welt des Journalismus verläuft im Zickzack. Oft weiß die Lesende nicht, in welchem Zusammenhang die Texte oder die Autor*innen oder ihre Herkunftsländer zueinander stehen und warum sie in dieser Anthologie ihren – zugegeben berechtigten – Platz haben.

Aber das tut der Freude am Lesen keinen Abbruch. Denn sogar ein gelegentlicher Auslandskorrespondent wie der amerikanische Journalist Daniel Bates darf sich Gedanken zu seiner Profession machen und darüber, was es heißt, als weißer Mann irgendwo auf der Erde aufzuploppen und von dort zu berichten. Die haben es auch nicht immer einfach. Am besten, alle weißen Männer im Journalismus lesen dieses Buch. Alle anderen, die die blinden Flecken im Journalismus schon vor dem Skandal mit dem R im Namen erkannt und gesehen haben, lesen das kurzweilige Buch sowieso.

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