Shoppingtempel verhindert: Metropolis ist anderswo

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg erteilt eine Absage an die ambitiösen Neubaupläne von Karstadt am Hermannplatz.

Bleibt erst einmal, wie sie ist: die Karstadt-Filiale am Hermannplatz Foto: dpa

Dreckig bleibt er, ein abgerockter Platz der Armen, umgeben von hässlicher Architektur, dem städtebaulichen und wirtschaftlichem Fortschritt im Wege stehend. So lauten grob zusammengefasst einige Reaktionen vorwiegend wirtschaftsfreundlicher Akteure auf die Absage an die Karstadt-Neubaupläne am Hermannplatz durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Anwohner und Gewerbetreibende aus der Umgebung sind dagegen durchaus erleichtert, dass Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) der Rekonstruktion eines Prunkbaus aus Kaufhaus, Hotels und Büros im Stil der 1920er Jahre widersprochen hat. Nach einem Entwurf des Architekten David Chipperfield wollten die Eigentümer an der Stelle des bisherigen Kaufhauses einen siebenstöckigen Bau mit zwei Türmen errichten, in dem Karstadt noch ein Mieter unter vielen ist.

In einem Schreiben an die österreichische Eigentümergesellschaft Signa Holding begründete der Bezirk Ende vergangener Woche die Absage: „Aufgrund von Dimension, Wirkung und geplanter Nutzung des Gebäudes würde es im umgebenden Stadtgefüge wie ein Fremdkörper wirken.“ Die geplante Fassadenrekonstruktion sei „nur noch eine Hülle für ansonsten austauschbare Nutzungen“. Das Bezirksamt werde demzufolge keinen Aufstellungsbeschluss vorantreiben, den es als Grundlage für einen Bebauungsplan bräuchte, es sei denn, die Bezirksverordnetenversammlung beschließe Gegenteiliges.

Im Gespräch mit der taz betont Schmidt, dass die Entscheidung auf intensiven Beratungen der Stadtplanungsämter seines Bezirks, zu dem das Grundstück gehört, und vom angrenzenden Neukölln beruhe, und hält der ideologisch überfrachteten Debatte entgegen: „Das war eine ganz sachliche Analyse.“ Insbesondere die Gefahr, dass das „Gewerbegefüge in Neukölln durch ein neues Zentrum aus dem Gleichgewicht geraten würde“, habe den Ausschlag für die Einschätzung gegeben. Kritiker des Projekts hatten stets auf die Gefahr insbesondere für den kleinteiligen Einzelhandel in der Karl-Marx-Straße als auch durch eine geplante neue große Markthalle für den Wochenmarkt auf dem Hermannplatz hingewiesen.

Gleichzeitig betonte Schmidt den politischen Aspekt seiner Einschätzung: Ein Konzept, welches in seiner Nutzungsmischung austauschbar und auf die „höchste Verwertbarkeit ausgerichtet“ sei, sehe er kritisch – ganz so wie die Heilsversprechen der Ansiedlung von Google oder sonstigen Playern der Digitalbranche. Dass Kaufhäuser wie Karstadt in ihrem Überlebenskampf gegen Internethändler wie Amazon auf solche Projekte angewiesen seien, weist Schmidt als nicht relevant für die Wirkung eines neuen Shoppingzentrums auf den Kiez zurück: „Wir brauchen kein abgezirkeltes Einkaufsparadies.“

Es gibt auch Kritik

Kritik an der Absage kam von seiner Parteikollegin und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop. Gegenüber dem Tagesspiegel verwies sie auf die „lange Tradition“ von Karstadt in Berlin: „Deswegen begrüße ich die Pläne des Eigentümers, die Karstadt-Häuser in einem sich verändernden Umfeld fit für die Zukunft zu machen.“ Kritik kam ebenso von der Industrie- und Handelskammer und diversen Politikern der SPD. So zeigte sich etwa Neukölln Bezirksbürgermeister Marin Hikel enttäuscht: Die pauschale Ablehnung des Projekts sei „zum jetzigen Zeitpunkt bedauerlich“, sagte er der Berliner Morgenpost. Kritik an möglichen Verdrängungseffekten hätten stattdessen „lösungsorientiert diskutiert werden“ sollen.

Die Initiative Hermannplatz, die sich anlässlich der Neubaupläne gegründet hatte, begrüßte dagegen die Absage auch gegen das Argument, dass diese nicht wirtschaftlich sei: „Wir wissen, wie es sich anfühlt, wenn politische Entscheidungen wirtschaftspolitischen Interessen folgen – Verdrängung, Armut, Entrechtung für Bewohner_innen dieser Stadt.“ Gleichzeitig warnte die Initiative vor dem „langen Atem“ des Immobilienkonzerns Signa, der sich nicht so leicht abschrecken lasse: „Mit ‚Überzeugungsarbeit‘ in der Politik und Presse, mit Klagen gegen Gegner, mit Fake-Initiativen, Kampagnen und Meinungsumfragen“ habe der Konzern bereits im norditalienischen Bozen die anfängliche Stimmung gegen eine Shoppingmall gedreht.

Für Berlin kündigte der Konzern an: „Wir werden weiter Überzeugungsarbeit in den verschiedenen Bezirksgremien und beim Senat von Berlin leisten. Die Neugestaltung des Karstadt Hermannplatz geht in seiner Bedeutung weit über den Bezirk hin­aus.“ Schmidt reagierte gelassen: „Da bin ich gespannt, ob der Senat eine Pro-Haltung artikuliert.“ Zumindest bei der Linken dürften die Investoren auf nicht allzu viel Gegenliebe stoßen. Der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksverband hatte bereits vorletzte Woche die Neubaupläne klar zurückgewiesen und die Verdrängungsgefahr für die einkommensschwache Einwohnerschaft betont: „Wir wollen keine Investorenträume verwirklichen, sondern die Stadt für alle“, hieß es in einem ausführlichen Beschluss.

Dass der Hermannplatz ohne Veränderung bleibt, wollen gleichwohl auch die Gegner eines Luxus-Shopping-Tempels nicht. Schmidt spricht davon, dass die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur die größte Aufgabe sei, um den Platz und seine Umgebung attraktiver zu machen. Auch gelte es das bestehende Kleingewerbe zu stärken.

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