Boris Johnsons Pläne für das Parlament: Klares Kalkül

Boris Johnson will den Brexit bis Ende Oktober durchboxen und schickt das Parlament in den Zwangsurlaub. Am Ende geht es ihm nur um seine Karriere.

Der britische Premier Boris Johnson im Profil in Nahaufnahme

Boris Johnsons Plan ist aufgegangen Foto: imago images/AAP imago

Es gibt ein irisches Sprichwort: „Was kann man von einem Schwein erwarten außer einem Grunzen?“ Der britische Premierminister Boris Johnson ist zwar kein Schwein, aber dass er das Parlament entmachtet, um einen harten Brexit durchzusetzen, ist so wenig überraschend wie das Grunzen. Er hat seine Entscheidungen schon immer zuallererst danach getroffen, ob sie seiner Karriere förderlich sind.

Johnson hat sich deshalb, entgegen seiner ursprünglichen Überzeugung, zum Wortführer der Brexit-Befürworter aufgeschwungen, weil er sich dadurch bessere Chancen ausrechnete, später Premierminister zu werden. Der Plan ist aufgegangen.

Die Zeitung Mirror bezeichnete die Suspendierung des Parlaments als „Kriegserklärung“ an die Abgeordneten. Natürlich ist es undemokratisch, das Parlament bei einer solch wegweisenden Entscheidung über die Zukunft des Landes zeitweise auszuschalten, aber legal ist es. Diese „Prorogation“, wie die Vertagung heißt, wird normalerweise jedoch in ruhigen Zeiten angewendet – und nicht um die demokratische Kontrolle außer Kraft zu setzen.

Johnsons Kalkül ist klar, und es entspricht seiner eigenen Logik. Er will den Brexit zum 31. Oktober durchboxen, denn er muss mit einem baldigen Misstrauensvotum und Neuwahlen rechnen. Ist der Brexit zu dem Zeitpunkt bereits unter Dach und Fach, ist den Rivalen von Nigel Farages Brexit Party der Wind aus den Segeln genommen. In diesem Fall kann Johnson durchaus hoffen, mit einer größeren Unterhausmehrheit als nur einer Stimme, über die er derzeit verfügt, weiterregieren zu können.

Seine Taktik hat die Queen allerdings in die Bredouille gebracht. Sie musste zwischen Parlament und Regierung wählen. Dass sie sich wie üblich dem Willen des Regierungschefs unterworfen hat, wirft ein Licht auf ihre Rolle. Anhänger der Monarchie behaupten gern, dass sie ein Bollwerk gegen einen möglichen Diktator sei. Das Gegenteil ist der Fall: Die Queen tut stets, was ihr der Premierminister vorgibt. In ihrer Rede zur Parlamentseröffnung spricht sie zwar von „meiner Regierung“, aber diese Rede wird ihr von der Regierung diktiert.

Johnson hat die Weichen so gestellt, dass ein No-Deal-Brexit wohl unvermeidlich ist

Es gibt keinen Mechanismus, durch den die Queen einen Diktator stoppen könnte – außer der theoretischen Möglichkeit, selbst die Macht zu übernehmen und zur Diktatorin zu werden. Den Gegnern eines harten Brexit erscheint das in der jetzigen Situation vermutlich als attraktives Szenario. Es bleibt jedoch ein Wunschdenken. Johnson hat die Weichen so gestellt, dass ein No-Deal-Brexit wohl unvermeidlich ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.