Torben Becker
sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt
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Über Rechtsextremismus wird häufig erst anlassbezogen gesprochen: Neonazis in Bundeswehr und Polizei, rechtsextrem motivierte Straftaten oder Neonaziallüren in Parlamenten. Die Folge sind allzu oft aufgepeitschte Debatten, in welchen dann einige Wochen über vermeintliche Nazikeulen und besorgte Bürger*innen diskutiert wird – bis zum nächstes Vorfall. Natürlich gibt es Menschen, Initiativen, Politiker*innen und Bündnisse, die sich zäh gegen Rechtsextremismus auf allen Ebenen engagieren. Die medialen Debatten scheinen jedoch kurzsichtiger, denn einen anhaltenden Austausch über Strategien gegen Rechtsex­tremismus gibt es kaum. Und weil es aber eine beharrliche Erinnerungskultur braucht, ist die antifaschistische Losung „Erinnern heißt Kämpfen“ von notwendiger Aktualität. Im Zeitraum seit 1990 listet die Amadeu-Antonio-Stiftung 207 Todesopfer rechter Gewalt. Diese gewaltsame Kontinuität mahnt dazu, beim Thema Rechtsextremismus dauerhaft genauer hinzuschauen.

Der Sommer 1992 ist dafür eines vieler Beispiele. Als an einem Augustabend der Neonazi Norman Z. eine Gruppe Studierender bedrohte, bewiesen Günter Schwannecke, damals wohnungsloser Kunstmaler, und Hagen Knuth Zivilcourage. Sie mischten sich zur Unterstützung der Gruppe ein. Z. schlug darauf auf beide mit einem Baseballschläger ein. Schwannecke starb fünf Tage danach an seinen schweren Kopfverletzungen, Knuth überlebte nur knapp. Norman Z. wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Mit der Selbstenttarnung des NSU zeigte sich, dass Z. schon in den 90ern enge Kontakte in das Umfeld des Terrornetzwerke pflegte. Die Günter-Schwannecke-Gedenkinitiative erinnert an diesen gewaltsamen Tod und fordert die Aufklärung der NSU-Verbindungen in Berlin sowie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit rechtsextremer Gewalt gegen Obdach- und Wohnungslose. Zum Todestag ruft die Initiative zur Kundgebung auf (29. 8., Günter-­Schwannecke-Spielplatz, 18 Uhr).

„Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ – der deutsche Überfall auf die Zweite Polnische Republik am 1. September 1939 war der Auftakt der deutschen Vernichtungspolitik gegenüber der polnischen Zivilbevölkerung. Trotz aller Mahnungen waren faschistische Tendenzen nicht verschwunden, eher verborgen und trauen sich heute verstärkt ans Licht. Zum 80. Jahrestag organisiert die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten am Denkmal des polnischen Soldaten und deutschen Antifaschisten eine Kundgebung (1. 9., Volkspark Friedrichshain, Virchowstr., 14 Uhr).