„Es steht schlecht um die Meeresumwelt“

Die Grünen-Politikerin Steffi Lemke fordert Verhandlungen mit Dänemark, um die Fischbestände besser zu schützen. In bestimmten Zonen soll gar nicht mehr gefischt werden

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Steffi Lemke,1986 geboren, ist grüne Bundestagsabgeordnete und naturschutzpolitische Sprecherin der Fraktion.

Interview Sven-Michael Veit

taz: Frau Lemke, was haben Sie eigentlich gegen die Fischerei?

Steffi Lemke: Die Fischerei ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, den es national und international zu erhalten gilt. Genau das kann nur funktionieren, wenn Fischbestände erhalten, die Meeresnatur geschützt und die Plastik- und andere Schadstoffeinträge endlich kleiner werden. Das Einhalten von nachhaltigen Fangquoten und das Schaffen von Rückzugsräumen für bedrohte Populationen ist notwendig, damit es auch in Zukunft noch eine Fischerei geben kann. Deshalb fordern wir weltweit wirksame Meeresschutzgebiete.

Und was genau soll in Meeresschutzgebieten geschützt werden?

Fischbestände, Seevögel, Mollusken, Korallen, Riffe – der Reichtum, den Wissenschaftler als „Menschheitserbe Meer“ bezeichnet haben. Die vorgeschlagenen Meeresschutzgebiete auf der Hohen See wurden wegen ihrer Bedeutung für die Biodiversität nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt. Für die Nord- und Ostsee bedeutet dies auch den Schutz für Schweinswal, Kegelrobbe und vielem mehr. Erfahrungen aus anderen Ländern, zeigen wie sich an Schutzgebieten angrenzenden Gewässern Fischpopulationen wieder erholen.

Sie wollen weiträumige „Nullnutzungszonen“ – ist das überhaupt sinnvoll und realistisch?

Aktuell haben wir die absurde Situation, dass die Fischereiintensität in Schutzgebieten um bis zu 40 Prozent höher ist als außerhalb der geschützten Meeresgebiete. Damit wird Meeresschutz ins Gegenteil verkehrt. In den geschützten Gebieten fordern wir deswegen Nullnutzungszonen. Nur so können wir vom Aussterben bedrohte Arten wie den Ostsee-Schweinswal noch retten und Rückzugsräume auch für Fischbestände sichern.

Die EU-Kommission hat kürzlich das Ende der Fischerei mit Grund- und Stellnetzen in mehreren deutschen Schutzgebieten in der Nordsee gefordert. Sehen Sie sich dadurch bestätigt?

Die EU-Kommission beruft sich auf die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse. Es steht schlecht um die Meeresumwelt in der deutschen Nord- und Ostsee. Die Bundesregierung hat diese Situation jahrelang ignoriert und verharmlost. Insbesondere CDU-Fischereiministerin Julia Klöckner trägt die Verantwortung für die aktuelle Situation. Sie hat in den Verhandlungen mit ihren dänischen Amtskollegen jeglichen Forderungen der Fischereiwirtschaft nachgegeben und den Meeresschutz über Bord geworfen. Der Brief der Kommission ist eine Ohrfeige für diese verfehlte Politik. Ich fordere die Ministerin auf, noch in diesem Sommer mit der neuen dänischen Regierung nachzuverhandeln und Meeresschutz endlich prioritär zu behandeln.

Aber sind nicht die kleinen Kutterfischer die Leidtragenden?

Mittel- und langfristig leidet die Fischerei hauptsächlich unter zurückgehenden Fischbeständen, und diese Situation wird durch die Klimakrise verschärft. Aktuell sind die Populationen so unter Druck, dass immer geringere Fangquoten vereinbart werden, und durch die Klimakrise wandern Makrele und Kabeljau weiter in den Norden. Aktuell gilt sogar ein Dorsch-Fangverbot in Teilen der Ostsee. Diese Situation setzt den Fischern massiv zu. Wenn sich die Populationen jedoch in Rückzugsräumen erholen können, könnte dies langfristig die Situation der Fischer bessern.

Essen Sie eigentlich Fisch?

Ich esse schon immer gerne Fisch. Hering, Dorade und Forelle besonders gerne, aber ich esse ihn nur noch selten – dafür umso bewusster. Leider stammen immer noch viel zu viele Fische aus illegalen Fängen und überfischten Beständen. Hier braucht es dringend bessere Kontrollen und Gesetze, die dies verhindern.