50 Jahre nach Woodstock: Vom Zwanglosen zum Kommerz

Wer 1969 beim Woodstock-Festival war, der glaubte, die Hippies ständen für den Beginn einer güldenen Zukunft. Wir wissen heute, sie waren es nicht.

Schwarzweiß-Bild des Woodstock-Festivals, man sieht viele Menschen, im Vordergrund reckt sich ein Mann

Im August 1969 ging's ab – was ist davon geblieben? Foto: ap

Es war nicht alles schlecht im Mittelalter: Woodstock zum Beispiel, das legendäre US-Rockfestival, war ein Segen für die Menschheit. Sagt einer, der damals dabei gewesen ist: Dave Crosby, von der Band Crosby, Stills, Nash & Young. Der US-Musiker erzählt im Dokfilm „Remember my Name“ von einem barfüßigen Hippie­mädchen, das im Schlamm des Festivalgeländes in eine Scherbe trat, worauf es von einer Männergruppe zu einem Streifenwagen getragen wurde, dessen Besatzung ihm bereitwillig die Scherbe entfernt und den Fuß verbunden habe: Da glaubte Crosby endgültig, die Hippies stehen am Beginn einer güldenen Zukunft.

Wir wissen heute, es kam anders. Immerhin wurde aus dem angetörnten Miteinander, das sich in Woodstock manifestierte, ein Mythos, oder wenigstens ein großes Versprechen, das bis in unsere Tage als Legitimation für Festivals gilt: Bleibt friedlich und vertraut einander. Während der verregneten Tage von Woodstock kamen im August 1969 mehr als 300.000 Besucher zusammen und lauschten 32 Bands und KünstlerInnen, darunter Stars wie Jimi Hendrix, Janis Joplin und The Who.

Die Atmosphäre wird von Zeugen als voluntaristisch und egalitär beschrieben. Nicht unwichtig, denn wenige Monate später, beim Festival von Altamont in Kalifornien, wurde während des Konzerts der Rolling Stones ein Besucher von Mitgliedern der Rockergang Hells Angels erstochen, es kam zu einer Massenpanik. Der Abgrund der Sixties.

Von Woodstock bleibt aber nicht nur der Geist des Friedlichen, sondern auch die kommerzielle Verwertung. Die Eintrittspreise waren zwar vergleichsweise niedrig, ja, wurden irgendwann gar nicht mehr erhoben, weil Zäune niedergetrampelt wurden. Schnell wurde damals ein Live-Album mit Aufnahmen vom Festival veröffentlicht und ein Dokumentarfilm. Das Festival steht somit am Anfang dessen, was heute ein zu Tode kommerzialisierter weltweiter Massenbetrieb ist, bei dem es nur noch wenig um zwanglose Freude und abwechslungsreiche Musik geht und mehr um Bespaßung durch Bungeejumping von Lkw-Kränen.

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Julian Weber, geboren 1967 in Schweinfurt/Bayern, hat Amerikanische Kulturgeschichte, Amerikanische Literaturwissenschaft und Soziologie in München studiert und arbeitet nach Stationen in Zürich und Hamburg seit 2009 als Musikredakteur im Kulturressort der taz

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