Wien holt IS-Kinder aus Syrien: Schwierige Suche

Österreichs Außenministerium hat die Rückkehr von Kindern einer IS-Anhängerin angekündigt. Es könnte noch weitere geben.

Frauen und Kinder in einer Wüste

Nach der Eroberung von Baghouz war die Mutter zuletzt gesehen worden Foto: reuters

WIEN taz | Österreich will Kinder österreichischer Mütter, die unter der Herrschaft des sogenannten Islamischen Staats (IS) geboren wurden, aus Lagern in Syrien holen. Die Regierung bereite derzeit die Rückkehr zweier Kinder einer IS-Anhängerin vor, sagte Außenamtssprecher Peter Guschelbauer der Nachrichtenagentur AFP am Montag. Der Prozess könne einige Wochen dauern, so Guschelbauer. Mindestens drei weitere Kinder könnten später zurückgeholt werden.

Die konkreten Pläne beziehen sich zunächst auf die beiden Söhne der Sabina S., die 2014 im Alter von 15 Jahren mit ihrer damals 16-jährigen Freundin Samra K. ins Kalifat aufgebrochen war. Sabina S. bekam nach ihrer Ausreise zwei Kinder, die heute ein und drei Jahre alt sind. Sie befinden sich im kurdisch verwalteten Lager Al-Hol in Nordostsyrien. Der Vater soll ein tschetschenischer IS-Kämpfer sein, über dessen Schicksal man nichts weiß.

Ob ihre Mutter noch lebt, ist unklar. Sie gelte als verschollen, seit sie bei der Eroberung der IS-Hochburg Baghouz im vergangenen März verletzt gesehen wurde, sagt der Wiener Politologe und Nahost-Experte Thomas Schmidinger, der auf Bitten der Großmutter den Kontakt zur kurdischen Verwaltung hergestellt und sie im Mai auch ins Lager begleitet hatte.

„Wir mussten uns mit Fotos durchfragen“, sagte Schmidinger der taz. Keine leichte Aufgabe in einem Lager, in dem 70.000 Menschen lebten, vorwiegend Frauen und Kinder. Da das Lager intern vom IS kontrolliert werde, könne man sich dort nur in bewaffneter Begleitung von kurdischen YPG-Kämpfern bewegen, so Schmidinger.

Staatsbürgerschaft kraft Abstammung

Das österreichische Außenministerium wurde erst aktiv, als ein DNA-Abgleich die Identität der beiden Kinder eindeutig nachwies. In Österreich herrscht das ius sanguinis, also das Blutrecht, das eine Staatsbürgerschaft kraft Abstammung begründet.

Schmidinger weiß von sechs weiteren Kindern, die mit ihren Müttern in zwei verschiedenen Lagern leben. Ob die Mütter auch heimgeholt werden, ist unklar. Ex-Außenministerin Karin Kneissl hatte im Frühjahr von etwa 20 Kindern mit „Österreich-Bezug“ in Lagern im Irak und in Syrien gesprochen. Darunter auch solche von Asylberechtigten. Für die fühlt sich Österreich aber nicht zuständig.

Die Frage, wie man die Übergabe mit einer völkerrechtlich nicht anerkannten Regierung verhandeln soll, ist zumindest lösbar. Die Kurden würden nur ein Schreiben und später eine Übernahmebestätigung von einer offiziellen Stelle verlangen, weiß Schmidinger. Die Übergabe könne an der irakischen Grenze am Tigris stattfinden, wo dies- und jenseits Kurden das Sagen haben.

Deutschland hatte vergangene Woche erstmals Kinder deutscher IS-Anhängerinnen aus dem Nordosten Syriens zurückgeholt. Frankreich und Belgien haben ebenfalls einige Waisen nach Hause gebracht, die USA holten eine Frau mit ihren vier Kindern zurück. Kasachstan, Usbekistan und das Kosovo haben bereits Dutzende Frauen und Kinder zurückgenommen. (mit afp)

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