Die Wahrheit: Singendes, klingendes Hakenkreuz

Der Adler ist gelandet: Weil vier Gondeln an indogermanische Sonnenzeichen erinnern, drehen sie sich nicht mehr um die eigene Achse.

Es gibt im Hochschwarzwald einen Freizeitpark, der heißt „Tatzmania“. Dort wuseln fröhlich Erdmännchen, Wapitis und Schwarznasenschafe umeinander. Weil aber diese Attraktionen nicht einmal frühstückspausenfüllend sind, gibt es dort auch Fahrgeschäfte. Karusselle und Kettenkarusselle und dergleichen.

Anfang August wurde dort ein großer Spaß für Jung und Alt in Betrieb genommen. Auf zwei Ebenen drehen sich dort in einer Höhe von bis zu 23 Metern jeweils vier Gondeln um eine Achse. Das heißt, sie drehen sich nicht mehr. Und zwar nur, weil sie an indogermanische Sonnenzeichen erinnern.

Zugegeben, mit viel bösem Willen war der Eindruck zweier fröhlich kreiselnder Hakenkreuze nicht vollkommen von der Hand zu weisen. Auch läge der Fall nicht vor, wenn das Fahrgeschäft „Das kunterbunte Multi­kultikarussell“ heißen und in Regenbogenfarben gestrichen wäre. Leider ist es braun und heißt „Adlerflug“.

Kein Wunder also, dass antifaschistische Schneeflocken vom linksliberalen Rand dem Spaß für Jung und Alt einstweilen ein Ende gemacht haben. Der „Adlerflug“ ist gestoppt. Und das nur, weil er angeblich die Gefühle von Menschen verletzt, die etwas gegen Angriffskriege, Rassismus und die prominente Präsentation verfassungsfeindlicher Symbole auf dem Jahrmarkt haben.

Lange wird es nicht mehr dauern, bis Klassiker wie „Schlag den Churchill“ oder die „Göringschaukel“ stillgelegt werden. Betroffen von der Political Correctness sind auch die hochmoderne „V3“, die putzige Achterbahn „Wilder Adolf“, die Wildwasserbahn „Heidewitzka, Herr Kaleun!“ oder der legendäre „Hollercauster“ mit seinen 18 Loopings.

Im Ausstellergewerbe wird derzeit unter Hochdruck an Ideen für zeitgemäße Unterhaltung gearbeitet. So hat die „AG Feingeistige Fahrgeschäfte“ bereits Vorschläge erarbeitet, wie auf der Kirmes den Interessen sensiblerer Zeitgenossen entsprochen werden könnte. Zwar endeten Versuche, beim rustikalen Steilwandfahren die Motorräder durch E-Roller zu ersetzen, mit blauen Flecken. Weit gediehen ist hingegen das „Genderynth“, ein verspiegelter Irrgarten, der auf spielerische Weise das empfindsame Hinterfragen geschlechtlicher Identitäten ermöglicht.

Vielversprechend auch erste Pläne für eine „Geisterbahn 2.0“, in der das Publikum sich vor aktuellen Umfragewerten der AfD, den durchschnittlichen Verbrauchswerten eines Containerschiffs sowie einer lebensechten Wachsfigur von Franz Josef Wagner (am Schreibtisch) gruseln kann; angeblich wird auch hier mit Spiegeln gearbeitet.

Anstelle der misogynen und ableistischen „Dame ohne Unterleib“ könnte bald der „Alte weiße Mann“ zu bestaunen sein. Gesucht wird noch nach weiblichen Schiffsschaukelbremsern. Auch die zuckerfreie Zuckerwatte ist noch nicht produk­tions­reif. Erdmännchen, Wapitis und Schwarznasenschafe dürfen aber bleiben.

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kari

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