Salvini kann noch hoffen

In Italien haben die 5-Sterne-Bewegung und die Partito Democratico bis Dienstag Zeit, eine Regierungskoalition zu bilden. Schaffen sie das nicht, gibt es Neuwahlen

Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio auf dem Weg zu Staatspräsident Sergio Mattarella Foto: Yara Nardi/reuters

Aus Rom Michael Braun

Nur eines ist in der italienischen Regierungskrise dieser Tage wirklich sicher: Sie wird eine der kürzesten Krisen sein, die das Land in den letzten Jahrzehnten erlebt hat. Nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Giuseppe Conte am Dienstag, nach den Treffen des Staatspräsidenten Sergio Mattarella mit den Parteien am Mittwoch und Donnerstag haben ebenjene Parteien jetzt bis Dienstag Zeit, eine Lösung zu finden. Anderenfalls stellt Mattarella die Auflösung des Parlaments samt Neuwahlen in Aussicht.

Die große Frage ist deshalb: Schaffen es die Fünf Sterne und die gemäßigt linke Partito Democratico (PD), die bisher einander in inniger Feindschaft verbunden waren, binnen kürzester Zeit, eine wirklich trag­fähige Lösung zu finden?

Zusammengehalten werden sie auf den ersten Blick vor allem durch die gemeinsame Abneigung gegen Neuwahlen. Es war ja allein Matteo Salvini, der Lega-Chef und bisherige Innenminister, der mitten im August die Krise aufgelöst hatte, weil er sich von schnellen Neuwahlen einen Erdrutschsieg erhoffte. Das Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) dagegen müsste mit drastischen Verlusten gegenüber jenen 33 Prozent rechnen, die es im März 2018 geholt hatte, und die PD, die 2018 mit 18 Prozent abgestraft worden war, dürfte nur auf bescheidene Zugewinne hoffen können.

Entsprechend rüde hatte Salvini in den letzten Tagen das mögliche Bündnis M5S-PD als „Pakt der Verlierer“ geschmäht. Er rief, ebenso wie seine potenziellen Verbündeten von der rechtsradikalen Partei Fratelli d’Italia und von Berlusconis Forza Italia, denn auch jetzt in den Konsultationen beim Staatspräsidenten nach der sofortigen Parlamentsauflösung.

Vor der aber steht, das machte Mattarella in seinem kurzen Statement zum Abschluss der Konsultationsrunde am Donnerstagabend klar, nach der italienischen Verfassung das Gebot, vorab mögliche Alternativen im gegenwärtigen Parlament auszuloten.

Ob diese wirklich gegeben sind, wird sich bis Dienstag zeigen. Das M5S erklärte, es sei zu Beratungen mit der PD bereit. Doch es formulierte als Vorbedingung, die Partei unter Nicola Zingaretti müsse gefälligst der vom M5S vorangetriebenen Verfassungsänderung zustimmen, nach der das Abgeordnetenhaus von 630 auf 400 und der Senat von 315 auf 200 Parlamentarier verkleinert wird. Zum Inkrafttreten dieser Änderung fehlt nur noch eine Abstimmung im ­Abgeordnetenhaus.

Bislang in innniger Feindschaft verbunden – jetzt zusammen regieren?

Und die PD? Sie formulierte just die entgegengesetzte Bedingung: Die Fünf Sterne sollen auf ebenjene Verfassungsänderung verzichten. Außerdem verlangte Zingaretti den Abschied des M5S von jenen „Sicherheitsdekreten“, die auf Initiative Salvinis von der bisherigen Regierung aufgelegt worden waren und die vor allem dazu dienten, die NGOs im Mittelmeer zu bekämpfen.

In dieser Gemengelage versuchte Salvini, sich wieder ins Spiel zu bringen. Ihn treibt die Angst um, dass aus den Neuwahlen nichts wird und dass er für Jahre auf der Oppositionsbank landet. Deshalb erklärte er am Donnerstag, natürlich wünsche er sich schnelle Wahlen – er könne sich aber auch eine ganz andere Lösung vorstellen, nämlich die, die Koalition von Lega und M5S einfach fortzusetzen. Um den Fünf Sternen das Angebot schmackhaft zu machen, bot er ihrem Chef, dem bisherigen Wirtschafts- und Arbeitsminister Luigi Di Maio, auch gleich an, er könne ja jetzt Ministerpräsident werden, während ­Salvini Innenminister bleiben will.

Doch es darf als unwahrscheinlich gelten, dass sich das M5S auf dieses Angebot einlässt. Am Wochenende werden erst einmal die Verhandlungen mit der PD beginnen, in denen es sowohl um ein gemeinsames Regierungsprogramm als auch um den Namen desjenigen gehen wird, den die beiden – wenn sie denn zusammenkommen – dem Staatschef Mattarella als zukünftigen Ministerpräsidenten vorschlagen wollen.