Kein Lachen, nirgends

Die Städtische Galerie zeigt mit „Haensel und Prinz – definitiv figürlich“ eine Retrospektive der 2013 verstorbenen Malerin Christine Prinz und Arbeiten ihres Partners Claus Haensel

Eine Liebeserklärung im Verborgenen: Claus Haensels„Kopf und Hände“ von 1982 Bild: Claus Haensel/Städtische Galerie

Von Jens Fischer

Sie hat sich skizziert, gezeichnet, gemalt und übermalt – immer und immer wieder. Dabei hat Christine Prinz klassische Porträt- und Aktposen aus kunsthistorisch markanten Werken von Malern wie Ingres, Vermeer, Monet, de La Tour oder Van Delft selbstbestimmt nachgestellt. Hinter den faszinierend fremden, daher neugierig beäugten, häufig erotisch konnotierten, gleichzeitig verführend und verführbar gemalten weiblichen Objekten suchte Prinz das weibliche Subjekt. Weil sie sich selbst als solches eingesetzt hat, ist sie Modell und Malerin, Beobachtende und Gestalterin in einem: Projektionsfläche und Kontrollinstanz ihres Blickes.

Und sie ging noch einen Schritt weiter, indem sie nicht nur die männlich dominante Malerperspektive enteignete, sondern auch Inszenierungen von Künstlerinnen für die Erforschung ihrer selbst nutzte. Prinz hat sich im Spiegel fotografiert, vor dem sie mit Perlenkette und Ringelblume das „Selbstbildnis als Halbakt mit Bernsteinkette II“ (1906) von Paula Modersohn-Becker für sich interpretierte. Nie ist der Ausgangspunkt, Kunstgeschichte neu zu schreiben oder besserwisserisch zu piesacken. Es geht darum, etwas über ihre Identitätssuche in dieser Welt zu erzählen.

2013 ist Christine Prinz verstorben, jetzt richtet ihr die Städtische Galerie eine kleine Retrospektive aus, in der die Vielfalt des Œuvres angedeutet und um Widmungen des Lebenspartners Claus Haensel ergänzt wird. Er macht derzeit ihren kompletten Nachlass in wuchtigen Fotobänden im Eigenverlag sichtbar. „Haensel und Prinz – definitiv figürlich“ hat Kurator Ingmar Lähnemann seine Prinz-Schau auf extra grau bepinselten Galeriewänden betitelt. Was zum Widerspruch reizt.

Denn das 1984 aus dem uckermärkischen Schwedt nach Bremen umgesiedelte Paar hat sich mit neuwilden Malgesten aus der strengen DDR-Schule des sozialistischen Realismus befreit und an der Auflösung des Figürlichen gearbeitet, um so zur Kunst verdichten zu können, was unter dem Firnis der Zivilisation im Menschen schlummert. Über 40 Jahre haben beide konkurrenzfrei zusammen gekünstlert.

Prinz wurde 1944 als Christine Hilda Mauksch in Radebeul geboren, ließ sich zur Zahntechnikerin ausbilden, durfte dann aber an der Dresdner Hochschule für bildende Künste studieren und übernahm zum Identitätswandel den Nachnamen ihrer Großeltern: Prinz.

Die in dieser Schaffensphase entstandenen Konterfeis sind nun kreuz und quer an eine Galeriewand gelehnt – wie in einem Atelier. Meist schaut Prinz versonnen aus den Werken heraus und in sich hinein. Halb an- und halb abwesend scheint sie ihre Verletzlichkeit schützen und Verletztheit verbergen zu wollen.

Skeptizismus über die Ausdruck-Valeurs in jedem Pinselstrich: kein Lachen, nirgends. Häufig malte Prinz auch wie die verehrte Worpswederin Paula Modersohn-Becker in erdigen Farben ihre von kühler Trauer umflorten, versonnen fragenden Blicke: Wer bin ich? Was bin ich in dieser Welt? Welche Rolle spiele ich als Frau in der Gesellschaft? Einen stilistischer Wechsel zwischen den in der DDR und Bremen entstanden Werken ist nicht zu entdecken.

Christine Prinz ist als selbstbestimmtes weibliches Subjekt Modell, Malerin, Beobachtende und Gestalterin in einem

Bereits früh experimentierte Prinz zunehmend mutiger an Selbstakten mit neoexpressionistischen Stilmitteln. Sie versuchte zu zeigen, „wie sich eine Frau für die Kunst ausziehen kann, ohne aufreizend frivol zu wirken, sondern ihrer Empfindung Ausdruck zu verleihen, sich nackt frei zu fühlen“, wie Haensel erklärt. Dabei überformt Prinz die malerische Gestaltung, setzt Linien mit feister Wucht, verwischt Konturen zu Farbtumulten und dekons­truiert den Körper in abstrakte Formulierungen hinein.

Eine weitere Werkgruppe ist ironisch weiblichen Idyllen gewidmet. Schönheitsideal angedeutete Antlitze und Körper werden entpersonalisiert, vervielfältigt und wie normierter Zierrat eingesetzt in kleinmädchenhaften Bilderwelten mit Rüschenornamenten mit rosa Akzentuierungen. All das kommt Harmonie illusionierend zum Einsatz und wird gleichzeitig gebrochen. Werke aus Prinz’ letzten Lebensjahren beschließen die Schau: sanft schimmernde Flusslandschaftsbilder, aus denen die Menschen verschwunden sind.

Claus Haensel erweitert die Ausstellung mit Bildern von Prinz als Protagonistin. Gerade die seriellen Arbeiten überzeugen. Etwa eine Reihe von zunehmend verwischten, fehlbelichteten, verwackelten Porträts, also einer in Unschärfe verschwindenden Christine Prinz.

Nach Fotografien von ihr kreierte Haensel auch Siebdrucke, Zeichnungen und Radierungen, die er teilweise mit grafischen Akzenten der Informel-Kunst schmuck überzog. So entstehen Bilder einer tief lotenden Suche, eines schemenhaften Findens oder eines schmerzvollen Verlierens eines Menschen. Liebeserklärungen, das sind sie allesamt.

Bis 20. 10., Städtische Galerie