Die S4 bringt es nicht

Die Güterzüge des Dänentunnels im Fehmarnbelt verteuern die S4 von Hamburg in Richtung Lübeck. Hamburg und Schleswig-Holstein wollen dafür aber nicht zahlen

Vierspurig zwischen Lärmschutzwänden: So soll die geplante neue S4-Station Claudiusstraße in Hamburg-Wandsbek aussehen Foto: Abb.: Vektorvision

Von Sven-Michael Veit

Die geplante S-Bahn S4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe wird erheblich teurer als bislang bekannt. Die Kosten für den 37 Kilometer langen Gleisausbau gibt das Bundesverkehrsministerium jetzt mit 1,439 Milliarden Euro an – allerdings nach den Preisen von 2015. Bislang war die Trasse auf 950 Millionen Euro veranschlagt worden. Zudem liege das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) nur noch bei 0,7, teilt Enak Ferlemann (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium, in einem Schreiben an den Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß mit, das der taz vorliegt.

Das bedeutet, dass in der volkswirtschaftlichen Betrachtung jedem investierten Euro ein Nutzen von nur 70 Cent gegenübersteht. Deshalb dürfte die Trasse gar nicht gebaut werden. Denn nach der Bundeshaushaltsordnung erfüllen nur Verkehrsprojekte mit einem Wert über 1,0 das Gebot der Wirtschaftlichkeit und dürfen aus Bundesmitteln gefördert werden – eigentlich.

„Die S4 wird im Wesentlichen aus Bundesmitteln finanziert werden müssen“, sagt deshalb Ploß, sonst sei die Strecke „nicht zu realisieren“. Es fehle aber noch eine Finanzierungsvereinbarung des Bundes mit der Deutschen Bahn und den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein. Doch ob es die geben wird, ist derzeit noch vollkommen offen.

Es gibt Verhandlungen über eine solche Vereinbarung „bis Mitte 2019“, schreibt Ferlemann. „Wir sind von einem Durchbruch noch weit entfernt“, sagt hingegen ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Kiel und lehnt mit Hinwies auf diese laufenden Gespräche weitere Stellungnahmen ab.

Allerdings herrscht im Kieler Landeshaus eine gewisse Verstimmtheit darüber, dass das Bundesverkehrsministerium offensichtlich Druck auf die Länder auzuüben versucht. Ferlemann hätte gern „einen Blankoscheck“, ist von mehreren Quellen in der Jamaika-Koalition zu hören. Ein Verdacht, den Ole Thorben Buschhüter, Verkehrsexperte der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, nicht abwegig findet. Zwar sei unstrittig, dass Hamburg und Schleswig-Holstein sich finanziell beteiligen müssen, offen sei jedoch die Höhe.

Die S-Bahn-Linie S4 soll von Lübeck über Bad Oldesloe und Ahrensburg nach Hamburg führen und im Westen weiter über Pinneberg und Elmshorn bis Itzehoe.

Konkret in Planung ist derzeit die 37 Kilometer lange Ost-Strecke zwischen Hamburg-Hasselbrook und Bad Oldesloe.

Die Erweiterung bis Lübeck sowie nach Westen steht noch in den Sternen.

Denn der Neubau der S4 entlastet die Gleise für den Personen- und Güterverkehr, vor allem für zusätzliche Güterzüge nach Eröffnung des dänischen Fehmarnbelt-Tunnels. Darum sei das Projekt „wesentlich ein Fernverkehrsprojekt auf einem europäischen Korridor“, verlautet aus dem Hamburger Senat. Deshalb müsse „eine Bewertung der Nutzen auch für den Schienenpersonenfern- und Schienengüterverkehr erfolgen“.

Für die S4 allein wurde schon vor Jahren ein NKV von 2,5 errechnet, mithin ist es eine sinnvolle Investition. In seiner Antwort von Anfang August auf eine Kleine Anfrage von Buschhüter rechnet der Senat mit einem Fahrgastzuwachs um 200 Prozent: Statt derzeit rund 24.500 Passagiere in den Regionalbahnen zwischen Bad Oldesloe und Hamburg würden 71.500 Menschen täglich die S4 nutzen, so die Auskunft.

Verteuert würde das Projekt aber durch den zusätzlichen Lärmschutz an der Strecke wegen der schweren Güterzüge. Diese Kosten aber, finden Hamburg und Schleswig-Holstein, dürfe man nicht der S4 anlasten. Im November wollen sich die Verkehrsausschüsse der beiden Landesparlamente in Kiel und Hamburg mit dem Thema befassen. Bis dahin müssen die Länder sich mit dem Bund geeinigt haben, wer was bestellt hat und bezahlen muss.