Nils Schuhmacher
Hamburger Soundtrack
: Lücken und Verdichtungen, klimabedingt

Lieber Soundtrack vom 3. 8,

vielen Dank für deine Kolumne, die ich aufmerksam gelesen habe, so aber nicht unterschreiben kann. Es gehört heute zum guten Ton, in Sachen Wetter den Teufel an die Wand zu malen. Jeder einzelne Sonnenstrahl soll jetzt schon Verantwortung für größere Miseren tragen, für die zunehmende Aggression, die Hitze et cetera.

Vergessen wird dabei, dass schon in der Vergangenheit, „als es noch kalt war“, jedes handelsübliche Sommerdorffest eine Kampfzone darstellte. Vergessen ist zugleich auch Rudi Carrell, der bereits 1975 – in „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ – darauf hinwies, dass es bei uns auch temperaturmäßig schon ganz anders zuging („bis zu 40 Grad im Schatten“).

So gesehen kann man es eigentlich auch nur als Ausdruck größter Bequemlichkeit werten, den Berichtszeitraum zu verlassen und sich imperialistisch in den meinen zu bewegen, weil angeblich im eigenen „nichts los“ ist. So unelegant kann man die freundlichen und unverstärkten Fox and Bones (12. 8., Ponybar; 13. 8. Freundlich und Kompetent; 14. 8. Komm Du) natürlich auch unter den Tisch fallen lassen. Nur weil man es vielleicht aufdringlich findet, dass sie in einer Woche gleich dreimal in der Stadt auftreten?

Vielleicht lassen wir es auch gleich ganz mit der Musik. Und gehen zu Anja Plaschg, der Wienerin, die unter dem Namen Soap & Skin (17. 8., Elbphilharmonie, zu sehen auch umsonst und draußen: als Videoübertragung auf den Vorplatz) keine Musik macht, sondern Gefühle erzeugt, oder wie es mal in einem Artikel hieß; der Modus der Erzeugung hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Bestand Plaschgs an Dramatik und Schwermut nicht eben armes Werk zunächst aus Klavier, Gesang und eher dezent rahmender Elektronik, hat sich die Spannweite mit ihrem 2018 erschienenen, dritten Album noch einmal erheblich geweitet: Es ist „poppiger“ und zugleich kunstvoller, opulenter, stellenweise sogar hoffnungsfroher geworden.

Um zurückzukommen auf klimabedingte Verdichtungen und Lücken: Bei aller Enthobenheit vom Irdischen, die Plaschg musikalisch auszeichnen mag: Ihrer Nominierung für den österreichischen Musikpreis hat sie kurzerhand eine Absage erteilt – unter Hinweis auf den ebenfalls nominierten „Volks Rock ’n’ Roller“ Andreas Gaba­lier. Von solchen Lücken können wir nicht genug haben.