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: Zuversicht in Frankfurt(Oder)

Zu Besuch an der Oder wollten wir nicht sein, um von grundsätzlich Missgelaunten nur Giftiges zu hören. Insofern waren auf Einladung des Teams der taz ost nur Menschen aufs Podium geladen, wie sich im Sinne Hanna ­Arendts für ein gutes Leben miteinander einsetzen, und zwar unter Einschluss aller. Also auch jener, die erst in jüngerer Zeit ins Land kamen.

Miteinander sprachen auf dem Podium: Oberbürgermeister René Wilke, als Mann der Linkspartei voriges Jahr haushoch gewählt; Julia von Blumenthal, nicht minder frisch bestallte Präsidentin der ja nicht unberühmten Universität Viadrina, Majeed Behzad, 2015 nach Deutschland eingewandert, zuvor Übersetzer der Bundeswehr in Afghanistan und inzwischen in Frankfurt engagiert im Integrationsbeirat der Stadt; schließlich Alena Karaschins­ki, Sprecherin des Kreisverbands der Bündnisgrünen. Ist diese 60.000-Menschen-Stadt ein „Zukunftsort“, wie in der Einladung fragend formuliert worden war? Um es kurz zu machen: So bejahten es alle.

Behzad preist seine „neue Heimat“ überall, weil ihre Einwohner:innen freundlich sind, nur manchmal könne man mehr miteinander reden, um voneinander zu erfahren. Karaschinski betonte, dass das Zusammenleben schon immer funktioniert habe und deshalb auch die Zukunft kein Problem sei, denn „schon nach 1945 kamen hier viele neu her, Vertriebene, Heimkehrer, Vertragsarbeiter“, also jene, die in der Bundesrepublik Gastarbeiter genannt wurden.

Oberbürgermeister Wilke, der die CDU-Dominanz in seiner Stadt beseitigte, wies darauf hin, dass es viel zu tun gebe, öffentlicher Nahverkehr, viel mehr Wohnraum. Im Bündnis mit der auf der anderen Oder-Seite liegenden polnischen Stadt Słubice bewerbe man sich für das Jahr 2029 um den Titel der „Europäischen Kulturhauptstadt“ – was tatsächlich ja eine lohnendes Zukunftsprojekt ist.

Die Wahlen in Sachsen und Brandenburg verfolgt die taz bis zum 3. September mit einer Redaktion in Dresden. Alle Texte: taz.de/tazost

120 Menschen saßen im Parkett der Galerie des Kleistforums, hörten zu; viele beteiligten sich an der Debatte um das Morgen der Stadt. Ob sie eine Boomtown wird: Das ist offen. Auf feine Art wurde rechtes Krakeel nicht vermisst, war man sich auch so auf das Konstruktivste uneinig und um Lösungen ringend. Ein Besuch lohnt sich gewiss. Jan Feddersen