Bremens neuer Finanzsenator über Geld: „Das Geld ist verplant“

Dietmar Strehl übernimmt das Haushaltsressort von Karoline Linner. Die Schuldenbremse verteidigt er genauso wie sie.

Eine Hand wirft eine Münze in einen Gulli vor dem Bremer Rathaus, der als Spendenbox dient

Bremen pflegt eine seltsame Beziehung zum Geld. Dietmar Strehl muss damit als Finanzsenator umgehen Foto: Ingo Wagner/dpa

taz: Herr Strehl, wieso an der Schuldenbremse festhalten, wenn’s Negativzinsen auf Bundesanleihen gibt?

Dietmar Strehl: Schauen Sie sich den Stand der Bremer Schulden an, und Sie haben die Antwort: Wir müssen davon runter kommen.

Aber mit Negativzinsen bekomme ich doch Geld dafür, dass ich mir welches leihe?

Das ist ein Denkfehler. Die Schulden, die ich dann mache, sind da. Sie wachsen an – und die Zinsen werden kaum auf diesem Niveau bleiben. Sie müssen sich das mal vor Augen führen: Ein Prozent Zinsveränderung bei 21 Milliarden macht 210 Millionen aus. Das ist eine so gewaltige Summe, da möchte ich nicht noch mehr draufschaufeln.

Am Donnerstag stellen Sie sich erstmals seit sehr langer Zeit einer Wahl…

Das sehe ich anders. Bei der Mitgliederversammlung zur Frage, wer die grünen Ressorts leiten soll – das war doch auch eine Wahl. Habe ich zumindest so gespürt. Da überlegt man schon, was man sagt. Bei der Senatswahl darf ich gar nichts sagen. Da werde ich hoffentlich gewählt.

Ihre Karriere war bislang trotzdem eher eine im Hintergrund. Was drängt Sie ins Rampenlicht?

62, Staatsrat Finanzen seit 2011, Grünen-Mitglied seit 1982, war nach seinem Mathematik-Studium Stadtverordneter in Bonn und später Stadtverordneter in Falkensee bei Spandau, zugleich von 1996 bis zum Wechsel nach Bremen Bundesschatzmeister von Bündnis 90 / Die Grünen.

Ich finde es nur konsequent: Wenn man sich hier als Staatsrat acht Jahre lang mit allen Themen intensiv beschäftigt und dann über die Nachfolge der Senatorin gesprochen wird, überlegt man doch, ob man es machen kann. Ich habe kein Problem damit, im Rampenlicht zu stehen.

Nur haben Sie es halt nie gemacht

Naja, ich war schon zehn Jahre lang Stadtverordneter und zuletzt auch Fraktionsvorsitzender in Bonn. Das ist eine andere Ebene, aber es ist irgendwie auch Rampenlicht. Die Umstellung ist für mich eher, dass man als Senator in der Bürgerschaft eine andere Rolle spielt als ein Staatsrat. Damit werde ich mich beschäftigen, wenn ich gewählt werde. Ich glaube schon, dass ich das hinkriege. Und die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner liegt mir.

Reinen Verwaltungsleuten wird nachgesagt, dass ihnen schwer fällt, die Würde des Parlaments zu respektieren…

Noch einmal: So sehe ich mich nicht. Ich bin nicht der reine Verwaltungsmensch.

Was treibt Sie denn an?

Ich kann ja mal sagen, wo ich hergekommen bin – aus der Friedens- und Anti-AkW-Bewegung. Das war die Zeit um 1983 und in Bonn ging das ziemlich hoch her mit den großen Demos. Für mich war das immer der urgrüne Dreiklang: Ökologie, Frieden, Anti-Atom. Und dabei bin ich auf überraschende Weise in die Kommunalpolitik reingerutscht – weil in dieser Zeit die Grünen überall plötzlich großen Zuspruch bekamen und plötzlich in die Stadträte einzogen. Zehn Prozent bekamen wir da in Bonn auf einmal. Das wusste man ja nicht vorab. Dadurch bin ich inhaltlich ziemlich breit aufgestellt – und habe auch auf Bundesebene in den Programmdebatten mitgemischt.

Von Friedensbewegung ist ja nicht so viel übrig geblieben in der Partei

Ich habe gelernt, gerade diese Fragen sehr, sehr differenziert zu betrachten. Die außenpolitische Lage ist äußerst komplex – und beunruhigend, aber jetzt natürlich nicht mein Hauptthema.

Klar. Bloß was hat Sie als Friedensbewegten in die Finanzpolitik getrieben?

Ich bin damals als Fraktionsgeschäftsführer in die Kommunalpolitik gegangen: Das war die Möglichkeit, auch die friedenspolitischen Themen in den Stadtrat reinzutragen. Gleichzeitig war ich als Mathematiker derjenige, der sich zutraute, mit den Zahlen umzugehen, mit den Haushaltsfragen. Da wächst man dann rein.

Ein schweres Schicksal?

Nein, es war für mich die Chance, einen vernünftigen Job zu übernehmen, der auch Spaß macht.

Sie haben ein lustvolles Verhältnis zu Zahlen?

Naja, das ist ein bisschen – sagen wir: Ich kann da gut mit umgehen. Das macht mir Spaß.

Und über die Zahlen hinaus?

Haushalt ist ja auch im Finanzressort nur ein Teil der Arbeit. Die Verwaltungsreform wird von hier gesteuert, und da kann man viele positive Fortschritte machen, die auch die BürgerInnen spüren. Das finde ich spannend, mal losgelöst von den Zahlen. Das gilt auch für den vom Finanzressort gesteuerten öko-fairen Einkauf.

Also das ist das Ziel von Finanzpolitik in Bremen?

Wir haben zu Ende der Legislaturperiode noch ziemlich große Baustellen abgeschlossen: Die Sanierungsvereinbarung mit dem Bund über mindestens 15 Jahre, die Vereinbarung mit Bremerhaven und die Entschuldung der Kommunen…

Was?!

Das weiß wahrscheinlich wieder keiner, ja: Die Kommunen Bremen und Bremerhaven sind ab 2020 schuldenfrei. Das Land hat dann die Schulden übernommen. Und jetzt müssen wir es langfristig schaffen, dass wir wieder aus eigener Kraft zurecht kommen. Die ersten zwei Jahre mit dem Start der Schuldenbremse werden ziemlich schwer.

Weil Sie sich nicht nur mit dem politischen Gegner, sondern mehr noch mit dem Partner auseinandersetzen müssen?

Ich glaube, das schwierigste ist der Umgang mit den Erwartungen. Die sind nämlich sehr hoch. Es herrscht die Vorstellung, wir bekommen jetzt rund 500 Millionen Euro mehr. Aber so ist es nicht.

Sondern?

Einerseits ist das mit 2019 endenden Zuwendungen des Bundes zu verrechnen, dann sollen 80 Millionen Euro jährlich Kredite getilgt werden und die zulässige Kredithöhe von 125 Millionen Euro in 2019 entfällt, sodass wir nur noch über rund 250 Millionen reden. Von denen ist aber einiges bereits verplant: Die beitragsfreien Kitas sind eine dicke Nummer für den Bremer Haushalt. Die sind nicht strittig. Aber sie belasten den Haushalt: Das Geld ist verplant.

Also wird sich der Sanierungsstau noch verschärfen?

Nein, das sehe ich nicht so. Ich finde auch das Wort irreführend: Wenn Sie ein Haus kaufen, hat das nach dem ersten Jahr einen Sanierungsstau – das können Sie zumindest so nennen. Aber das ist natürlich Quark. Man muss irgendwann investieren – klar, aber dafür machen wir eine Prioritätenliste, wir werden auch mehr Mittel haben, um in Kitas und Schulen zu investieren: Wir werden das abarbeiten, eins nach dem anderen. Aber nicht alles auf einmal.

Keine Sorge, dass das die Partner unruhig macht?

Warum?

Na, weil die Forderungen von Investitionen und schnellen Lösungen von denen massiv vorgetragen werden…

Man kann nicht auf den Tisch hauen und sagen: Morgen ist die Schule saniert. Das wissen unsere Koalitionspartner genauso wie wir und jeder andere auch. Die Diskussion über spezielle Sanierungswege und die Idee einer Schulbaugesellschaft ist vom Tisch, wir werden, so weit wie nur möglich, Immobilien Bremen unterstützen, damit das voran geht. Die Abläufe und Regeln müssen wir aber schon einhalten. Und das dauert ein bisschen, wie jeder weiß.

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