Rechte Gewalt in Berlin 2018: Ein ganzes Jahr voller Hass

„Berliner Zustände 2018“: Der Schattenbericht rechter Gewalt des antifaschistischen Pressearchivs Apabiz bildet den Rechtsruck ab.

Kundgebung in Berlin nach Ermordung von Walter Lübcke: Menschen halten bei einer Demo Porträts von Ermordeten durch Nazis hoch

Demo nach dem Lübcke-Mord vor der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Rechte Gewalt ist in Berlin häufig und pünktlich: Kurz nach Mitternacht am 1. Januar 2018 kam es zur ersten Tat des Jahres. Hier waren die Opfer sieben alternative Jugendliche, die von neun Neonazis in der Friedrichshainer Voigtstraße angegriffen sowie geschlagen wurden und in eine Kneipe flüchteten. Insgesamt 279 solch rechter Gewaltvorfälle dokumentieren das antifaschistische Pressearchiv (Apabiz) und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus als Kalenderblätter in ihrer bedrückenden Chronik des Jahres 2018.

Die schiere Fülle dieser Vorfälle ist dabei nur ein kleiner Teil des Schattenberichts „Berliner Zustände 2018“ über Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, der diese Woche erschienen ist. Mitgearbeitet haben daran auch zivilgesellschaftliche Register sowie die neue Beratungsstelle Each One Teach One für schwarze Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind.

Nur in Sachsen sei die Situation ähnlich angespannt wie in Berlin, schreibt etwa Sabine Seyb von der Beratungsstelle Reach­Out in einem der Beiträge der 116-seitigen Publikation. 317 Angriffe habe man hier dokumentiert – das entspräche 8,7 Angriffen auf 100.000 Personen und sei noch mehr als in Sachsen (7,8 Fälle). Statistisch gesehen sei Berlin das Bundesland mit den meisten registrierten rechten Angriffen – Hauptmotiv bliebe Rassismus.

Wobei der Vollständigkeit halber erwähnt werden muss, dass ein Ländervergleich nur annähernd aussagekräftig sein kann, weil die zivilgesellschaftliche Dokumentation dieser Fälle nicht flächendeckend geschieht und länderabhängig unterschiedlich dicht ist. Der entscheidende Befund bleibt aber: Rechte Gewalt ist in Berlin alltäglich.

Feindeslisten, Angriffsserie, ungeklärter Mord

Der Befund passt dabei sogar zu den Zahlen des Berliner Verfassungsschutzes, die in Berlin für 2018 gleichbleibend viele Personen dem rechtsextremen Spektrum zuordnen: 1.410, davon seien 700 gewaltbereit. Zum Vergleich: In Hamburg etwa zählt der Geheimdienst 2017 nur 320 – davon 140 gewaltbereit. Bundesweit kommt der Verfassungsschutz auf 25.350 Personen, 12.700 davon gewaltbereit.

Die Mobile Beratung kritisiert angesichts eines zunehmenden Bedrohungspotentials vor allem fehlende Benachrichtigungen von Personen auf sogenannten Feindeslisten, die von Rechten verwendet werden, die mangelnde Aufklärung der extrem rechten Angriffsserie in Neukölln und den noch immer ungeklärte mutmaßlichen Mord an Burak Bektaş. Ebenso konstatiert die Mobile Beratung einen Anstieg von Drohungen gegen Personen und Initiativen, die sich gegen rechts engagieren.

Das Jahr 2018 endete wiederum in Friedrichshain nur unweit des ersten Vorfalls kurz vor Weihnachten gegen 1 Uhr nachts: in der Jessnerstraße, mit dem Angriff auf einen 20-jährigen Mann am 20. Dezember 2018. Drei unbekannte Männer hatten ihn aus einer rassistischer Motivation heraus attackiert.

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