Gleichstellung in Saudi-Arabien: Der Kronprinz lockert einen Zügel

Der Grundsatz, dass saudische Frauen ohne männliche Erlaubnis nicht geschäftsfähig sind, wird abgeschwächt. Die Reaktionen sind unterschiedlich.

Zwei Musliminnen mit Sonnenhut, Sonnenbrille und schwarzem Mundschutz

Sonnenbrille auf und ab aufs Amt. Die Männer können derweil den Haushalt machen Foto: ap

Sie gehörte zum Kern der Politik des saudischen Königshauses, um den Status der saudischen Frauen als Bürgerinnen zweiter Klasse festzuschreiben: die männliche Vormundschaft bei allen wichtigen Amtsgeschäften, wenn Vater, Bruder oder Ehemann im Namen der Frau unterschreiben müssen. Eine Frau allein konnte keinen Pass und keine Familiendokumente beantragen. Selbst die Entlassung einer Frau aus dem Gefängnis muss ein männlicher Verwandter gegenzeichnen.

Nun hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman vor wenigen Tagen ein Dekret erlassen, in dem er die männliche Vormundschaft nicht zur Gänze abschafft, aber einige seiner Regeln. Frauen dürfen nun allein einen Pass beantragen und ab dem Alter von 21 Jahren ohne die Zustimmung eines männlichen Verwandten verreisen. Sie können allein die Geburt ihrer Kinder registrieren und eine Scheidung beantragen. Im Dekret M.134 sind auch neue Regeln gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz enthalten.

Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. Einige konservative Männer wettern auf den sozialen Medien dagegen. „Die männliche Vormundschaft ist ein göttliches Gesetz, keines von Menschen gemachtes. Es ist ein fester Bestandteil der Religion und der Kontrolle der Familie. Jeder, der es verändert, fordert den Sturz der gesamten Religion“, twittert der saudische Dichter Mohammed Dschasa al-Aslami. Es gibt aber auch zahlreiche saudische Männer, die auf Twitter ihre Erleichterung zum Ausdruck gebracht haben, dass die Frauen sich um manche Dinge nun selbst kümmern können.

Viele Frauenrechtlerinnen sind begeistert. „Die Änderungen führen dazu, dass die Frauen nun endlich ihr rechtliches Schicksal selbst in die Hand nehmen können“, sagt Muna Abu Sulaiman, die oft in Talkshows aufgetreten ist. Andere Frauenrechtlerinnen twittern enthusiastisch, dass sie nun ihre Sachen packen und sofort verreisen wollen.

Dichter Mohammed Dschasa al-Aslami

„Die männliche Vormundschaft ist ein göttliches Gesetz, keines von Menschen gemachtes. Es ist ein fester Bestandteil der Religion und der Kontrolle der Familie. Jeder, der es verändert, fordert den Sturz der gesamten Religion.“

Einige der Frauen, die für eine Änderung der Regeln gekämpft haben, wie Lujain al-Hathoul oder Samar Badawi, können die Neuerungen allerdings nur im Gefängnis feiern. Der gleiche Kronprinz, der sich nun als Reformer feiern lässt, hatte sie für ihre Aktivitäten gegen die männliche Vormundschaft ins Gefängnis werfen lassen. Die Frauenrechtlerinnen Hatun al-Fassi und Eman al-Najjan wurden mit einem Reisebann belegt und müssen sich vor Gericht verantworten.

Die Botschaft ist klar: Neuerungen dürfen in Saudi-Arabien nur von oben gewährt und nicht von unten erkämpft werden. Manche werfen dem Kronprinzen auch vor, dass er diese Neuerungen zugelassen hat, um internationales Lob zu erheischen, in einer Zeit, in der er wegen des Mords an dem saudischen Journalisten Kamal Kha­shoggi und wegen des blutigen Jemen-Kriegs unter heftiger Kritik steht.

Übrigens ist das Prinzip der männlichen Vormundschaft nicht ganz aufgehoben. Frauen können immer noch nicht ohne Erlaubnis heiraten oder ohne Unterschrift eines männlichen Verwandten das Gefängnis verlassen. Selbst wenn sie Schutz vor häuslicher Gewalt suchen, brauchen sie die Zustimmung von Vater, Bruder oder Ehemann.

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