Von Fußballfans bedroht: Chronik einer verhinderten Recherche

Unser Autor wollte über das Spiel des FC Chemnitz berichten. Vor dem Stadion wird er als „linke Zecke“ beschimpft und bedroht.

Ein Spieler vom Chemnitzer FC zieht sich das Trikot übers Gesicht

Die Haltung vom vielen FC-Chemnitz-Fans, wenn es um Rassismus geht Foto: reuters

Das erste Mal mulmig wird mir um kurz nach 15 Uhr, beim „Einsingen“ am Nüschel, dem Wahrzeichen von Chemnitz. Einige Hundert Fußballfans der Heimmannschaft sind dem Aufruf der Ul­tras gefolgt, vor dem Pokalspiel gegen den HSV einen „Fanmarsch“ von der Innenstadt zum Stadion zu machen. Die Stimmung ist anfänglich entspannt, fast ausgelassen. Kinder und Jugendliche stehen genauso in der blau-weißen Fantraube vor dem überlebensgroßen Karl-Marx-Kopf wie Männer mit Stiernacken und einschlägigen Tätowierungen. Nur die vielen Polizist*innen erinnern daran, dass von diesen Fans Gefahr ausgehen kann.

Ich unterhalte mich mit einem langjährigen Fan. Der Mann spricht über den Unmut, den viele treue Anhänger*innen empfänden. Über den Insolvenzverwalter, der den Verein zerschlagen wolle. Über die Vereinsspitze, die „ihren“ Kapitän wegen eines lächerlichen Vorfalls rausgeworfen habe. Über das Umfeld, das sie – die treuen Fans – mit unverdienten Vorwürfen überziehen würde. Ein Rassismusproblem bei den Fans des Chemnitzer FC sieht er nicht.

Dann beginnen die Fans zu singen: „Ehre, Treue, Leidenschaft – für Verein und Heimatstadt“. Immer und immer wieder. Die Trommel setzt ein. Und ein Aufpeitscher brüllt dazu ins Mikrofon. Es klingt aggressiv. Es weckt Erinnerungen.

Vor fast genau einem Jahr standen sie schon einmal hier, zusammen mit Neonazis, AfD-Politiker*innen, Pegidisten. Einen Tag nach dem Tod von Daniel H. rief der rechtsextreme Fanclub „Kaotic Chemnitz“ zum Trauermarsch auf. Auch an diesem Sonntag wollen sie wieder ein Zeichen setzen: gegen einen Verein, der sich nach jahrelangem Lavieren endlich entschlossener gegen seine rechtsextremen Anhänger wendet. Dass hier Rechtsextreme unter den Fußballfans sind, ist offensichtlich.

Demonstrant mit „Hitler-Fan“-T-Shirt

Einen von ihnen bemerke ich vielleicht 15 Minuten später. Mittlerweile hat sich der Demonstrationszug in Gang gesetzt. Zwischen Bahnhof und Opernplatz vorbei ziehen die Fans durch die Innenstadt. Die Polizei gibt Geleitschutz. Der Mann fällt mir auf, weil er sich mit einem Mountainbike dem Umzug genähert hat. Er trägt Springerstiefel und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Hitler-Fan“.

Ein Demonstrationsteilnehmer zeigt den Hitlergruß, als er ein Wort mit ihm wechselt. Als der Mann sich wieder mit dem Fahrrad entfernen will, wird er zwar kurz von der Polizei aufgehalten. Sein „Hitler-Fan“-T-Shirt darf er aber anbehalten. Zwei Minuten später fährt er wieder neben dem Demonstrationszug her. Gemächlich im Schritttempo – so als würde er dort patrouillieren.

Zu dem Zeitpunkt bewege ich mich nicht mehr unter den Fans. Ich laufe neben dem Tross her und bin damit ziemlich allein. Nur ein Freund aus Berlin begleitet mich zu dem Zeitpunkt. Presse ist nirgends zu sehen. Zwischen den Fans und den gelegentlichen Passant*innen fallen wir auf. Äußerlich. Und weil wir Fotos und Videos machen.

Presse unter Beobachtung

In diesem Moment wird mir klar, dass auch ich beobachtet werde. Ein Mann mit kurzen blonden Haaren und himmelblauem Poloshirt hält sich mit zwei anderen Fans schon ein paar Minuten ganz in unserer Nähe auf. Selbst als wir uns zurückfallen lassen, bleiben der Mann und seine Begleiter stehen und beobachten uns: Es ist eine unausgesprochene Drohung. Wir haben ein Auge auf euch.

In diesem Moment bin ich mir darüber noch nicht ganz sicher. Ist der Mann mein „Aufpasser“? Hat er mich bereits als Feindbild ausgemacht? Glaubt er, ich sei nicht Journalist, sondern Teil der Antifa? Später, als der Mann mir vor dem Stadion auflauert, wird mir klar, dass es so gewesen sein muss. Das Gefühl der Bedrohung ist jetzt schon da. Wir verlassen den Demonstrationszug.

Etwa zwei Stunden später nähere ich mich dem Stadion. Um 18.30 Uhr soll das Spiel angepfiffen werden. Ich bin auf der Suche nach dem Presseeingang. Die Heinrich-Schütz-Straße, die am CFC-Stadion vorbeiführt, ist voller Fans. Ich bin jetzt allein. An der Eckkneipe „Pub à la Pub“ stehen viele Fans um ein Bier an. Es ist ein heißer Augusttag. Es ist unübersichtlich.

„Hau ab, du linke Sau“

Ich gehe inmitten Hunderter „himmelblauer“ Fans auf das Stadion zu, bin vielleicht noch 50 Meter vom Eingang entfernt, als ich von hinten angeraunt werde. Ich drehe mich halb um und erkenne den blonden Mann mit dem Poloshirt, diesmal in Begleitung eines Mannes Anfang oder Mitte zwanzig mit stark tätowierten Armen. Die beiden Männer kreisen mich ein und verstellen mir den Weg.

„Na, wo soll’s denn für dich hingehen?“ „Ich suche den Presseeingang.“ „Du bist doch die linke Zecke, die Fotos von uns macht und ins Internet stellt.“ „Ich habe keine Fotos ins Internet gestellt.“ „Hau ab, du linke Sau, verpiss dich. Aber schnell.“

Die letzten Worte sind fast geschrien, andere CFC-Fans drehen sich nach uns um. Der nächste Polizeiwagen ist vielleicht 60 Meter weg. Ich entscheide mich gegen eine Diskussion, beharre nicht auf meinem Recht, als Pressevertreter das Stadion besuchen zu dürfen. Ich drehe mich um und entferne mich langsam vom Stadion. Die beiden Männer folgen mir etwa 20 Meter weit, rufen mir weitere Sachen nach, die ich nicht verstehe.

Ich gehe an dem Polizeiwagen vorbei. Ich glaube nicht, dass die Beamten mich wirklich schützen können oder wollen.

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