„Wir stärken die bürger-nahe Polizei“

Heute wird die rot-grün-rote Regierungsvereinbarung offiziell unterzeichnet. Ein Gespräch mit der Grünen-Chefin über radikale Entscheidungen, Kröten und die alternativlose Schuldenbremse

Die grüne Parteichefin Alexandra Werwath (links außen) mit SPD-Chefin Sascha Aulepp und Felix Pithan, Landessprecher der Linken Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Interview: Eiken Bruhn

taz: Frau Werwath, heute wird der Koalitionsvertrag unterzeichnet. Welche konkreten Aussagen enthält er?

Alexandra Werwath: Der Koalitionsvertrag enthält unter anderem konkrete Maßnahmen in Sachen Klimaschutz oder beispielsweise zum Kita-Ausbau. Aber Sie spielen sicherlich auf die Finanzierbarkeit an, richtig?

Richtig. Der Co-Parteivorsitzende Hermann Kuhn hat gesagt, dass die Haushaltsberatungen eine zweite Runde der Koalitionsverhandlungen sein werden, weil erst dort klar wird, wie welche Vorhaben finanziert werden können.

Wir Grünen bleiben dabei: Auch wenn der Haushalt ab 2020 konsolidiert ist, so haben wir nach wie vor enge, finanzielle Grenzen. Das ist den Koalitionspartnern bewusst und damit werden wir in den kommenden Jahren sorgsam umgehen.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass Sie viele Wähler*innen enttäuschen werden? So soll eine Koordinationsstelle im Senat eingerichtet werden, die den „Landesaktionsplan gegen Homophobie“ umsetzen soll. Was ist, wenn am Ende kein Geld da ist?

Wir werden in der Koalition schauen, welche unterschiedlichen Modelle es dafür geben kann. Wichtig ist, dass wir Homo- und Transfeindlichkeit etwas entgegensetzen, da wollen wir uns als Landesregierung stärker profilieren.

Am besten soll es also ohne zusätzliches Geld gehen, oder?

Ja, aber das heißt doch nicht automatisch, dass die Stelle dann keine gute Arbeit machen kann.

Gibt es Vorhaben, bei denen die Grünen darauf bestehen, dass sie finanziert werden?

Wir wollen die Verkehrswende und dazu gehören die Rad-Premiumrouten. Aber in den Koalitionsverhandlungen war deutlich, dass das auch die SPD und die Linke wollen.

Das heißt, die Weser-Radbrücken, gegen die sich die SPD in der vergangenen Legislatur gesträubt hat, werden gebaut?

Davon gehe ich fest aus.

Was ist eigentlich das rot-grün-rote an dem Vertrag?

Der Senat wird am Donnerstag dieser Woche formell gewählt.

Nach einer zweistündigen Aussprache folgen zwei Wahlgänge – zuerst wird der Präsident des Senats gewählt, dann die acht weiteren Senatsmitglieder.

„Nach der Vereidigung werden die neuen Senatsmitglieder für Gratulationen in die Obere Rathaushalle geführt“, teilt die Bremische Bürgerschaft mit.

Eine grundsätzliche politische Haltung, die ökologisch, gerecht, weltoffen und bürgernah ist.

Für den Weser-Kurier zeichnet sich die rot-grün-rote Koalition dadurch aus, dass sie sich zu wenig um Innenpolitik kümmert.

Man kann so einen Vertrag immer so lesen, dass etwas fehlt und das dann bemängeln.

Klar, aber man kann wirklich nicht sagen, dass innere Sicherheit nun ein Schwerpunkt dieser Koalition ist.

Fakt ist: Wir streben eine deutliche Anhebung der Polizeizielzahlen an – sowohl in Bremen als auch in Bremerhaven. Damit stärken wir die bürgernahe Polizei – die dabei strikt die Bürgerrechte achtet und schützt. Außerdem wird das Land Bremen seine humanitäre Aufenthalts- und Asylpolitik konsequent fortsetzen. Das ist uns sehr wichtig.

Welche Kröten mussten die Grünen schlucken?

Es schmerzt uns natürlich, dass die Vertiefung der Außenweser nicht vom Tisch ist und auch beim Offshore-Terminal Bremerhaven hätten wir uns eine radikalere Entscheidung gewünscht.

Ein Kreuzfahrtterminal ist auch kein urgrüner Wunsch.

Nein, das definitiv nicht. Aber wir respektieren, dass es eben auch die Interessen von Wirtschaft und Tourismus gibt. Die können und wollen wir auch gar nicht ignorieren. Und es bietet auch eine Chance. Bisher hat sich niemand wirklich mit einer ökologisch vertretbaren Kreuzfahrtindustrie beschäftigt – wir können da jetzt mitgestalten.

Alexandra Werwath, 26, wurde 2017 zur Landessprecherin der Bremer Grünen gewählt und ist Studentin der Soziologie in Bremen.

Welche Kröten haben Sie der SPD serviert?

Aus deren Sicht hätte das Bekenntnis zum Offshore-Terminal sehr viel deutlicher ausfallen können. Und wir haben darauf bestanden, dass die Osterholzer Feldmark und Brokhuchting nicht bebaut werden.

Und die Linke?

Wir haben der Linken einen Pragmatismus in Bezug auf die Schuldenbremse abverlangt. Damit hat die Partei sehr gekämpft, weil sie die ja immer abschaffen wollte. Das als Grundvoraussetzung der Koalition zu akzeptieren – das ist ihr hoch anzurechnen. Ich bin gespannt, wie sich das in der Regierungsverantwortung weiter entwickeln wird.

Der Koalitionsvertrag enthält auf jeder Seite mindestens einen Prüfauftrag. Was sagt das über ihn aus?

Dass wir bedacht an Dinge heran gehen. Wir setzen hier nicht einfach etwas fort, es ist ein neues Kapitel. Und jeder Prüfauftrag ist ein Bekenntnis zu einem Handlungsfeld.