„Feindesliste“ der rechten Szene: Sorglose Behörde

Auf der „Feindesliste“ des rechten Bündnisses „Nordkreuz“ stehen 236 Personen aus Hamburg. Die dortigen Behörden informieren die Betroffenen nicht.

Ein Portrait vom ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke steht beim multireligiösen Friedensgottesdienst „Frieden braucht Mut“ anlässlich des Empfangs "100 Jahre Volksbund" in der Kasseler Martinskirche.

Die Ermordung von Walter Lübcke hat die Innenbehörde und das BKA offenbar wenig beeindruckt Foto: dpa

HAMBURG taz | Sie unterstützen Geflüchtete? Sie machen sich für Demokratieprojekte stark? Sie helfen Opfern rechter Gewalt? Dieses Engagement kann Ihnen einen Platz auf einer der „Feindeslisten“ der rechtsextremen Szene eingebracht haben. Sie können die eventuelle Bedrohung für sich nicht einschätzen? Aus diesem Grund hat die Fraktion die Linke in der Hamburger Bürgerschaft erneut nachgefasst.

In einer Kleinen Anfrage an die Hamburger Innenbehörde zur „Feindesliste“ des rechten Geheimbundes „Nordkreuz“ wollte die Linke wissen, ob Personen aus Hamburg erfasst sind. Alleine Nordkreuz, dessen Aktive überwiegend aus der Polizei oder Bundeswehr kommen, hat Daten zu 25.000 Personen gesammelt. Für den Tag X, wenn das derzeit herrschende System zusammenbricht. Ätzkalk und Leichensäcke wollte die Gruppe bestellen. 2017 fand die Polizei bei einer Razzia die Liste.

Die Kleine Anfrage offenbart, dass 364 Datensätze mit Bezug auf Hamburg auf dieser Liste sind. 236 Personen sind mit Hamburger Meldeadresse erfasst. „Ich habe den Eindruck, dass die Innenbehörde mit den von Neonazis geführten 'Feindeslisten’ nicht angemessen umgeht“, kritisiert Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Fraktion die Linke.

Schon vor einem Jahr hatte die Linke den Senat zur dieser Liste befragt. In der Antwort wurde bestritten, dass Personen aus Hamburg erfasst seien. „Diese offensichtliche Unwahrheit hat die Behörde jetzt auf Nachfrage zwar korrigiert“, sagt Schneider. Doch sie stört weiterhin, dass die Behörde keinen der Betroffenen informiert habe.

Warum sie nicht informiert habe, legt die Behörde in der Antwort dar: Sie sieht „zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung gelisteter Einzelpersonen“. In der Antwort erklärt sie weiter, dass das Bundeskriminalamt (BKA) für die „zentrale Gefährdungsbewertung“ zuständig sei.

BKA schließt Gefährdung aus

Das BKA habe festgestellt, dass eine Gefährdung der genannten Personen, Institutionen und Organisationen „aktuell auszuschließen“ sei. Insofern handele es sich auch nicht um „Feindes-“ oder gar „Todeslisten“. „Hamburg hat sich entschieden, derzeit weiter der Bewertung und Empfehlung des BKA zu folgen.“

Ein Teil der gesammelten Daten stammen aus dem Hack eines linken Versandhandels. 24 Personen mit Hamburg-Bezug, davon 13 mit Meldeadresse, finden sich auf einer weiteren Liste. Schneider meint: „Warum die Innenbehörde eine mögliche Gefährdung dieser mindestens doppelt gelisteten 13 Personen von vornherein ausschließt und nicht einmal die Betroffenen darüber informieren will, ist nicht nachvollziehbar.“ Nach dem vermutlich politisch motivierten Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und dem Sprengstoffanschlag auf eine Stadträtin der Linken in Zittau seien viele verunsichert.

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