Katharina Fegebank über grüne Politik: „Keine City-Maut. Das gilt“

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) über Hochschulen, Klima und die Fortsetzung der rot-grünen Koalition nach der Wahl 2020.

Katharina Fegebank

Traut sich auch das Bürgermeister-Amt zu: Katharina Fegebank, noch Zweite Bürgermeisterin Foto: Miguel Ferraz

taz: Frau Fegebank, warum wollen Sie b ei der Bürgerschaftswahl 2020 Spitzenkandidatin der Grünen sein?

Katharina Fegebank: Weil mir die politische Arbeit für die Stadt viel Freude macht. Wir haben schon viel auf den Weg gebracht, und wir haben noch mehr vor. Ich finde, dass die Grünen weiter die Geschicke dieser Stadt als starke Kraft mitgestalten sollten.

Und warum treten Sie nicht Bürgermeister-Kandidatin an?

Wer eine grüne Bürgermeisterin will, kann eine grüne Bürgermeisterin wählen. Ich traue mir jede Verantwortung zu, die mir die Hamburgerinnen und Hamburger übertragen.

Aber warum trauen sich die Grünen nicht, Ansprüche klar zu formulieren und zu sagen: Wir wollen gewinnen?

Ich nehme lieber Anlauf und springe weit statt auf die Nase zu fallen, bevor es richtig losgegangen ist. Alles zu seiner Zeit. Es wird schon erwartet, dass es einen Wettbewerb um die Spitze des Senats gibt, und wir werden zu gegebener Zeit erklären, wie wir uns da aufstellen.

Höchsten Ansprüchen genügt zumindest für den Moment die Hamburger Uni. Fällt jetzt das Spardiktat für die Hochschulen?

Ich bin erst mal wirklich froh, dass es der Universität gelungen ist, die Exzellenz-Auszeichnung zu erreichen. Das öffnet Türen und gibt dem Thema Wissenschaft eine enorme Strahlkraft. Die brauchen wir für den Strukturwandel der Stadt hin zur Wissensmetropole. Das schafft auch die Grundlage dafür, dass wir jetzt noch mal anders über die Finanzierung sprechen können.

Uni-Präsident Dieter Lenzen sagte, er braucht perspektivisch 400 Millionen Euro im Jahr, damit die Uni exzellent bleiben kann.

Er sprach von 3,5 Prozent Steigerung im Jahr.

Er rechnet das um und kommt auf diese Summe.

Ja, über einen langen Zeitraum gerechnet und mit einer nachhaltigen Planung unterlegt.

2023 sollte es soweit sein.

Die Position des Uni-Präsidenten ist für mich gut nachvollziehbar nach so einem Erfolg. Die Uni hat mit unserer Unterstützung hart für das Exzellenz-Siegel gearbeitet, und nun fordert sie auf dieser Grundlage eine dauerhafte und strukturelle Mehrfinanzierung, um die in sie gesetzten Erwartungen einzulösen. Mein Ziel ist – und zwar nicht nur für die Universität, sondern für alle unsere staatlichen Hochschulen –, dass wir nach den im Herbst startenden Verhandlungen deutlich über den 2020 auslaufenden Hochschulvereinbarungen landen. Aber diese Verhandlungen kommen ja erst noch.

42, verpartnert, 2 Kinder. Die Politologin war 2008 bis 2015 grüne Landesvorsitzende sowie von 2011 bis 2015 Abgeordnete der Bürgerschaft. Seitdem ist sie Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung.

Aber wie realistisch ist Lenzens Vorstellung?

Wir müssen alles auf den Tisch legen und uns alles angucken. Ich habe eben mein Ziel beschrieben, und wenn ich ernsthaft will, dass es in der Stadt insgesamt ein Umdenken gibt, müssen wir investieren. In Bayern und Baden-Württemberg hat man die letzten Jahrzehnte bewusst in Wissenschaft und Innovation investiert, um gute Köpfe zu holen und zu halten und auf diese Weise auch die regionale Wirtschaft auf eine erneuerte Basis zu stellen. Und so einen Strukturwandel brauchen wir auch hier im Norden.

Im Herbst kommt mit dem AfD-Gründer und Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke eine ungeliebte Figur zurück an die Universität. Wie erklären Sie das den Studierenden?

Es ist sein Recht zurückzukommen. Und ich gehe davon aus, dass die Studierenden eine intelligente und angemessene Weise finden werden, damit umzugehen. Natürlich kann ich verstehen, dass es bei den Studentinnen und Studenten und in Teilen des Kollegiums ein Unbehagen gibt. Aber die kontroverse Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ideen ist Teil des wissenschaftlichen Diskurses.

Unbehagen ist ein zu schwaches Wort. So ein Mensch gehöre nicht an die Uni, hieß es zum Beispiel vom Asta.

Man muss sich aber an Recht und Gesetz halten. Herr Lucke hat die Möglichkeit zurückzukehren, und das macht er.

Und wenn niemand zu seinen Vorlesungen geht?

Das wäre eine kreative Form des Protestes. Und kluger Protest ist ja auch Teil der Universität. Wo sollte man sich sonst mit schwierigen Fragen und Protestformen auseinandersetzen, wenn nicht an der Uni?

Zum Beispiel an Ihrer Hauswand. Wie bewerten Sie den Farbgläser-Anschlag auf Ihr Haus am zweiten Jahrestag des G20-Gipfels?

Ich habe mir eigentlich fest vorgenommen, auf diesen persönlichen Angriff keine großen Gedanken zu verschwenden. Was mich besonders ärgert, ist die Feigheit. Ich habe in so einer Situation den Impuls, dass ich mit diesen Leuten sprechen und wissen will: Was geht eigentlich in eurem Kopf vor und wieso redet ihr nicht mir, wenn ihr was an meiner Art Politik zu machen, auszusetzen habt?

taz: Wären Sie auch so gelassen und gesprächsbereit, wenn eine ähnlich gelagerte Attacke aus dem rechten Spektrum käme?

Bisher wissen wir noch nichts über die Hintergründe. Gewalt ist als Mittel der politischen Auseinandersetzung immer falsch, egal, auf welche Gesinnung sie sich beruft. Aber beim rechtsextremen Terror haben wir es aktuell nochmal mit einer besonderen Form der Bedrohung zu tun. Was wir erleben mit den Listen, auf denen Menschen stehen, die sich für Minderheiten einsetzen, selbst einer Minderheit angehören, sich für eine pluralistische Gesellschaft einsetzen, das ist besorgniserregend. Es ist erschreckend, was sich für Strukturen und Netzwerke gebildet haben, mit einer Strategie der Ausgrenzung und Einschüchterung und sichtbarer Brutalität bis hin zu einem Mord. Das ist nicht vergleichbar, und darum haben wir uns ja jetzt entschieden, das Thema Rechtsextremismus in Hamburg gezielt ganz nach oben auf die Agenda zu setzen und etwas zu tun.

Geben die Grünen gerade ihren Anspruch auf, bei den Themen Klima und Umwelt führend zu sein?

Nein, ganz im Gegenteil.

Die SPD und vor allem Bürgermeister Tschentscher wildert aber ziemlich ungeniert in grünen Gefilden.

Erst mal ist jeder Verbündeter, der es mit dem Klimaschutz ernst meint, hilfreich. Es ist gut, dass das Klimathema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Der grüne Umweltsenator Jens Kerstan beklagt aber, dass die SPD besseren Lärmschutz für die Bevölkerung verhindere.

Ein allgemeines Bekenntnis zum Klima- und Umweltschutz ist nicht viel wert, wenn im Regierungsalltag dann doch immer alles andere wichtiger ist. Wir Grünen wollen technischen Fortschritt im Umweltschutz, in der Luftfahrt, in der Schifffahrt. Aber natürlich müssen wir auch über eine Kerosinsteuer und einen sozial gerechten CO2-Preis sprechen. Wir benötigen dringend einen neuen rechtlichen Rahmen, damit sich Klimaschutz und innovative Technologien überhaupt lohnen.

Das ist Europa- und Bundespolitik. Was aber tut Rot-Grün in Hamburg? Wo bleibt der Lärmaktionsplan? Ein effektiver Klimaschutzplan? Weitere Dieselfahrverbote? Landstrom-Gebot im Hafen?

Wir werden noch in diesem Jahr den bestehenden Klimaschutzplan fortschreiben. Er wird sich orientieren an verschiedenen Sektorenzielen für Wohnen und Bauen, Mobilität sowie Wirtschaft und Industrie. Dazu gibt es schwierige Gespräche, weil ein Klimaplan nicht allein am Schreibtisch des Umweltsenators entsteht, sondern die aktive Mitarbeit aller Behörden braucht. Aber ich setze darauf, dass wir Erfolg haben.

Und einen effektiver, umweltfreundlichen komfortablen, und preisgünstigen Nahverkehr soll es dann auch endlich geben?

Das ist unser gemeinsames Ziel als Koalition. Wir wollen in Infrastruktur, also in U- und S-Bahnen, E-Busse, investieren. Wir wollen eine Angebotsoffensive starten, um den Wechsel von der autogerechten Stadt zur menschengerechten Stadt zu erleichtern. Und es sollen endlich die Stadtteile besser angeschlossen werden, die bisher das Nachsehen haben.

Schnellbahnen schön und gut – aber sie kosten Milliarden und fahren erst in 15 Jahren: Was passiert jetzt?

Es ist bekannt: Wir Grünen wollten 2015 die Stadtbahn. Sie wäre schneller und deutlich günstiger zu realisieren gewesen. Aber da haben wir bei der SPD auf Granit gebissen. Stattdessen haben wir uns dann auf den Ausbau des U- und S-Bahn-Netzes geeinigt. Das setzen wir nun um.

Warum nicht eine City-Maut? Die würde dazu führen, dass Autofahrer die Verkehrswende finanzieren.

Wir haben uns als Koalition zunächst dazu entschieden, keine City-Maut einzuführen. Das gilt.

Aber nach der Wahl im Februar gibt es neue Koalitionsverhandlungen, in denen Grüne das Thema wieder auf den Tisch bringen könnten.

Wir sind für jeden Vorschlag dankbar, der dem Klimaschutz nutzt. Aber eine City-Maut steht nicht im Mittelpunkt unserer Überlegungen.

Die Kieler Klimaforscherin Friederike Otto forderte vor drei Wochen im taz-Interview, jede Stadt müsse bei jeder Entscheidung den verbindlichen Klimacheck machen – alles müsse der CO2-Neutralität dienen. Ein sinnvoller und r ealistischer Vorschlag?

Ich habe gelernt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oftmals dem politischen Diskurs um Meilen oder Jahre voraus sind. Deshalb halte ich das für einen absolut sinnvollen und notwendigen Impuls gerade auch in einer so großen Wirtschafts-, Industrie und Logistikmetropole wie Hamburg.

Bei den Wahlen am 26. Mai lagen die Grünen bei über 31 Prozent in Europa und in den Bezirken weit vor der SPD, in vier Bezirken sogar stärkste politische Kraft. Woran lag das?

Das liegt zum einen daran, dass wir Grünen eine unmissverständlich pro-europäische Position haben. Und zum zweiten an jahrzehntelanger Kärrnerarbeit an der Basis in den Bezirken, in den Stadtteilen. Das hat sich jetzt so richtig ausgezahlt.

Europa- und kommunalpolitisch gleich stark, das ist sehr ungewöhnlich.

Aber sehr erfreulich. Wer behauptet, das sei nun mal der Zeitgeist, und die Wählerinnen und Wähler würden nicht unterscheiden, worum es bei einer Wahl geht, der macht es sich zu einfach.

Wie lautet Ihr Wahlziel für die Bürgerschaftswahl im Februar? 30plusX?

Ich lasse mich jetzt auf keine Prozentprognosen ein. Ich erwarte, dass wir deutlich über unserem Ergebnis von 2015 mit damals 12,3 Prozent liegen und einen Gestaltungsauftrag für diese Stadt haben werden.

Und Sie wollen wieder Zweite Bürgermeisterin werden?

An uns Grünen soll erstmal niemand vorbei können. Über Personen und Ressorts denken wir später nach.

In einer rot-grünen Koalition?

Das ist unsere Präferenz, denn wir arbeiten bislang recht gut zusammen. Die SPD scheut jedoch vor einer Koalitionsaussage zurück, und wir laufen ihr nicht hinterher.

Oder wollen Sie doch lieber Erste Bürgermeisterin eines grün-roten Senats werden?

Wenn die Wählerinnen und Wähler das so entscheiden, nehmen wir diese Aufgabe gerne an.

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