Ahnunglos im Weltraum

Protest gegen Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien in Berlin

An sich leidet das Künstlerhaus Bethanien nicht an mangelnder Diversität. Das liegt schon in seiner Struktur begründet als Haus mit einem internationalen Atelierprogramm. Ständig werden von hier aus Künstler und Künstlerinnen aus aller Welt nach Berlin eingeladen, als Stipendiaten, um eines der 26 Studios des Bethanien in Beschlag zu nehmen. Jeder in der Hauptstadt weiß, welcher Gewinn das für die Stadt und ihre Kunstszene ist.

1974 nahm das Künstlerhaus seine Arbeit auf, damals noch mitten in der Westberliner Subkultur. Das war gar nicht so lange nach der Mondlandung, deren 50-jähriges Jubiläum derzeit allenthalben gefeiert wird. Auch im Bethanien, das heute Abend mit einer Gruppenschau zum Thema Weltraumutopien eröffnet. Ihren Titel „Milchstraßenverkehrsordnung – Space is the Place“ verdankt sie zum (zweiten) Teil dem Titel eines berühmten Blaxploitation-Scifi-Musikfilms mit dem US-Jazzmusiker Sun Ra und seiner Band in tragenden Rollen (siehe Seite 17).

Umso merkwürdiger also und derart provinziell, dass man es gar nicht erst glauben mag: Die tragenden Rollen der Ausstellung sind allein weißen Männern vorbehalten. 22 Positionen insgesamt werden gezeigt, darunter die von 18 weißen Männern, dazu die dreier weißer Frauen und die eines nichtweißen Künstlers aus Singapur.

Am Montag dieser Woche wandte sich denn auch Soap/Soup du jour, ein Kollektiv von Aktivistinnen und Aktivisten, mit einem Brief an Christoph Tannert, den seit 1991 amtierenden Leiter des Künstlerhauses Bethanien. Sie gratulierten ihm zu seiner „bemerkenswerten kuratorischen Leistung“ und seinem „unerschütterlichen Engagement für die weiße Männlichkeit“.

Weiter warfen sie ihm vor, dass er den südafrikanischen Internetpionier und Milliardär Elon Musk hofiere. Neben dem Online-Bezahlsystem PayPal und dem Elektroautoproduzenten Tesla hat Musk auch in das Raumfahrt­unternehmen SpaceX investiert, das Tannert im Pressetext der Ausstellung als Ausgangspunkt der Ausstellung nennt. Als andere Einflüsse werden – wie aufgrund des Titels zu erwarten – der Afrofuturismus und sein Prophet Sun Ra genannt und die revolutionäre Black Panther Party, die nun freilich weniger im Weltraum als viel mehr auf Erden die Revolution ins Werk setzen wollte. Nichts will hier zusammenpassen.

Es ist daher bestimmt eine gute Idee, dass Christoph Tannert, wie er gegenüber der Kunstzeitschrift monopol äußerte, sich an einem Dialog mit Soup/Soap du jour interessiert zeigt. Vielleicht überdenkt er seine Haltung noch einmal. Denn als Grund der männlichen Dominanz gab er an, weibliche und nichtweiße Positionen zum Thema seien in diesem Jahr schon in vielen anderen Ausstellungen präsentiert worden. Er habe nun nicht wiederholen wollen, was es schon zu sehen gab. Ja, zu viel Wille zur Originalität könnte schon ein Grund sein für das wenig plausible kuratorische Konzept von Christoph Tannerts Odyssee im Weltraum 2019.

Brigitte Werneburg