Aus dem Schatten der Gatten

Sie leiteten den Hofstaat, verantworteten die Korrespondenz mit anderen Häusern, sorgten für die Schlösser und schafften Kunst an: Die Frauen der Fürsten im frühneuzeitlichen Schleswig-Holstein hatten durchaus Einfluss – auch als Witwen noch

Frau mit Einfluss: Als ihr Gemahl 1660 verstorben war, ließ Herzogin Maria Elisabeth von Schleswig- Holstein-Gottorf (1610–1684) Schloss Husum ausbauen und gab bis heute bedeutsame Buchprojekte in Auftrag Foto: CAU/ Verlagsgruppe Husum

Von Esther Geißlinger

Von Beruf Ehefrau: Töchter aus Adelshäusern hatten lange Zeit vor allem einen Auftrag – durch eine geeignete Heirat die Machtsphäre der Familie zu vergrößern. Aber wie weit reichte die eigene Macht der Fürstinnen, welche Spuren haben sie hinterlassen? In Schleswig-Holstein steht das Thema seit einigen Jahren auf der wissenschaftlichen Tagesordnung. Ein neuer Sammelband in der Reihe „Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins“ beschreibt nun die Rolle fürstlicher Witwen – und er widmet sich ihren Herrschaftssitzen.

Das Schloss vor Husum ist so einer, wenn auch heute vor allem bekannt durch die Krokusblüte im umliegenden Park. Wie viele BesucherInnen aber kennen Augusta von Dänemark, Tochter des dänischen Königs Friedrich II., Schwester von Christian IV., die den schmucken Ziegelsteinbau maßgeblich mitgestaltete? Von 1590 bis 1616, als Ehefrau des Gottorfer Herzogs Johann Adolf, trug die Prinzessin Titel und Würde einer Herzogin von Schleswig-Holstein. Nach dem Tod des Gemahls regierte sie kurz selbst, bis ihr Sohn Friedrich III. mündig wurde. Doch auch vom Witwensitz in Husum aus blieb sie aktiv, etwa indem sie in den Religionskriegen des 17. Jahrhunderts Position bezog oder mit ihrem mächtigen Bruder Christian ums Erbe stritt.

Weitreichende Möglichkeiten

„Augusta und später Maria-Elisabeth stachen als Witwen hervor, sie haben ihre Möglichkeiten genutzt“, sagt Melanie Greinert. Die Historikerin hat an der Kieler Christian-Albrecht-Universität ihre Doktorarbeit über fünf Gottorfer Fürstinnen geschrieben; mit einem Aufsatz ist sie auch im Buch vertreten. Greinerts Fazit: Die persönliche Wirkmacht der Frauen war nicht gering. „Alle Frauen, deren Leben ich untersucht habe, hatten sehr weitreichende Möglichkeiten und traten aus dem Schatten des Gemahls heraus.“

Das gehörte zu ihrer Rolle und war so gewollt: Fürst und Fürstin verstanden sich in der frühen Neuzeit als „Arbeitspaar“, so Greinert: „Sie teilten sich die vielfältigen Aufgaben, die am Hofe und in der Herrschaft anlagen.“ Zumeist kümmerte sich der Mann um die Regierung des Landes, während die Frau den Hofstaat leitete. Sie führte aber auch die Korrespondenz mit anderen Fürstenhäusern, nahm dafür an Verhandlungen und Ratssitzungen teil – und pflegte persönliche Interessen, etwa als Kunstsammlerin. „Die Fürstinnen waren zumindest während ihrer Ehe an der Herrschaft beteiligt“, sagt Greinert.

Und weil die Fürsten oft älter waren als ihre Frauen, war der Witwenstand nicht selten: „Der Tod des Mannes bedeutete einen Statuswechsel, brachte aber andere Befugnisse“, sagt Greinert. Teilweise regierten die Witwen als Vormund eines minderjährigen Sohnes übergangsweise selbst. Und wenn sie aus der aktiven Regierung ausschieden, blieb ihnen die Macht über ihren Witwensitz mit dem dazugehörigen Land. Hier konnten die Frauen nach eigenen Interessen herrschen.

Maria-Elisabeth beispielsweise, Tochter aus sächsischem Kurfürstenhaus, heiratete 1630 Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf, den Sohn von Herzog Johann Adolf und Augusta. Nach dem Tod ihres Mannes 1660 gab sie etwa eine Liedersammlung und eine eigene Bibelausgabe in Auftrag. Das „Hochdeutsche Kirchenbuch“ und die „Maria-Elisabeth-Bibel“ von 1664 stuft Greinert als bis heute bedeutsam ein: „Sie gehören zum kulturellen Erbe Schleswig-Holsteins.“

Kein Krokus zu sehen: Das Schloss vor Husum, wie es 1748 Laurids de Thuras als Stich festhielt Foto: Abb.: Wikimedia Commons

Die Forschung in Schleswig-Holstein befasst sich erst seit wenigen Jahren mit historischen Frauen und weiblichen Themen. In ihrer Magisterarbeit hatte sich Greinert mit Hochzeitsfesten auf Schloss Gottorf als Beispiel für höfische Repräsentation befasst. Das hieß, dass sie tief eintauchen musste in die Archive. „Vieles war nicht transkribiert, es war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“ Unklar war dabei auch, „ob sich hinter einer Nummer ein Dokument von drei oder 1.000 Seiten verbirgt“.

Sprachenwirrwarr im Archiv

Zumal: Die handschriftlichen, nicht immer leicht zu lesenden Aufzeichnungen sind in einem Sprachenwirrwarr verfasst: Latein und Französisch, Hoch- und Plattdeutsch. Gerade die Regionalsprache war für Greinert, die aus dem Spreewald stammt, „ein Lernprozess“.

Allen, die sich näher mit den Fürstinnen bekannt machen wollen, rät sie zu Besuchen in den ehemaligen Witwensitzen Husum, Reinbek und Eutin oder dem Stammschloss Gottorf in Schleswig. „Man kann durch die Räume wandeln, die Geschichte der Dynastie schnuppern und sehen, in welchen Räumen sich die Fürstinnen bewegt haben.“

Oliver Auge, Thomas Steensen, Nina Gallion (Hg.): „Fürstliche Witwen und Witwensitze in Schleswig-Holstein“, Matthiesen-Verlag, Husum 2019; 319 S., 24 Euro