Spaniens Regierung: Verdiente Niederlage

Die eigene Arroganz hat seine Wiederwahl als Ministerpräsident verhindert. Will Pedro Sánchez im Amt bleiben, muss er Kompromisse anbieten.

Sánchez mit gesenktem Blick

Hat kein politisches Bündnis zustande gebracht: Pedro Sánchez Foto: reuters

Genau einen Abgeordneten, der nicht zu seiner sozialistischen PSOE gehört, konnte Pedro Sánchez davon überzeugen, für seine Wiederwahl im Amt des spanischen Ministerpräsidenten zu stimmen. Der Wirtschaftswissenschaftler, dem es vor etwas mehr als einem Jahr bei einem Misstrauensvotum gelang, die absolute Mehrheit in einem völlig aufgesplitterten Parlament hinter sich zu vereinen, fiel damit bei der ersten Abstimmung vor dem Parlament krachend durch. Jetzt hat er bis Donnerstagnachmittag Zeit, mehr Ja- als Neinstimmen auf sich zu vereinen. Gelingt ihm das nicht, steuert Spanien auf Neuwahlen zu.

Sánchez ist an seinem schlechten Abschneiden selbst schuld. Statt mit den Linksalternativen von Unidas Podemos (UP) zu verhandeln, setzte er auf eine Strategie irgendwo zwischen arroganter Nichtbeachtung und beleidigendem Auftreten.

Nach den Wahlen vom April suchte Sánchez über 80 Tage lang keinen ernsthaften Dialog. UP-Chef Pablo Iglesias musste sich von ihm vorwerfen lassen, er sei kein Demokrat und könne deshalb nicht im Kabinett sitzen. Als Iglesias öffentlich auf einen Ministerposten verzichtete, um doch noch eine Koalitionsregierung zustande zu bekommen, begannen die Sánchez-Unterhändler tatsächlich mit UP zu reden. Das letzte Verhandlungsangebot: eine Koalition mit einer stellvertretenden Ministerpräsidentin für UP, allerdings ohne politische Zuständigkeiten und ohne Haushalt für eigene Politik. Gleichzeitig erwähnte Sánchez UP mit keinem Wort in seiner Rede vor dem Parlament.

Auch gegenüber den katalanischen Parteien, die ihn einst beim Misstrauensvotum unterstützten, trat der Sozialist arrogant auf. In Interviews redet er von der Möglichkeit, die nach Unabhängigkeit strebende Nordostregion erneut unter Zwangsverwaltung zu stellen. Verhandlungen über ein Referendum in beiderseitigem Einvernehmen lehnt er ab.

Ein großes Schattentheater

So unglaublich es auch klingen mag, Sánchez und seine Berater gingen davon aus, dass diese Strategie zum Erfolg führen würde. Der Sozialist ist ein großer Schattentheaterdirektor. Wie in der Höhle Platons projiziert Sánchez furchterregende Schatten an die Wand. Wer gegen ihn stimme, stimme mit der rechtsextremen Vox und müsse dafür bei den nächsten Wahlen zahlen, schleuderte er in der Parlamentsdebatte Pablo Iglesias ins Gesicht. So sollte ihm das Amt ohne Zugeständnisse in den Schoß fallen.

Die Stimmenthaltung von UP und die Neinstimmen der Katalanen sind eine Reaktion auf diese Arroganz. Jetzt ist Sánchez am Zug. Entweder er legt ein ordentliches Verhandlungsangebot vor, oder UP kann nicht anders, als ihn am Donnerstag erneut durchfallen zu lassen. Dann wäre bis September Zeit für einen zweiten Versuch. Würde auch der scheitern, müssten die Spanier zum vierten Mal in vier Jahren an die Urnen.

Ob dies Sánchez zugutekommt, wie einige Umfragen glauben machen wollen, darf bezweifelt werden. Wahlmüdigkeit und die daraus resultierende niedrige Beteiligung könnte auch den Rechten nutzen. Sánchez sollte besser auf die Schatten schauen, die er so gerne projiziert.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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