Experte zu UN-Ernährungsbericht: „Hungerbekämpfung ist möglich“

Genug zu essen gibt es, trotzdem steigt die Zahl der Hungernden. Das ist alarmierend, sagt Fraser Patterson von der Welthungerhilfe.

Menschen sitzen im Schatten einer blauen Plane

Klimabedingte Katastrophen lassen Zehntausende in Mosambik hungern Foto: ap

taz: Herr Patterson, weltweit haben laut UN im vergangenen Jahr mehr als 820 Millionen Menschen unter Hunger und Unterernährung gelitten. Damit ist die Zahl der Hungernden wieder angestiegen. Dabei war die Welt auf einem guten Weg, den Hunger komplett zu beseitigen. Was sind die Gründe für diese Zunahme?

Fraser Patterson: Wir sehen das dritte Jahr in Folge, dass die Zahl der Hungernden steigt. Das ist alarmierend. Gründe dafür sind eine Zunahme von bewaffneten Konflikten, etwa in Jemen, Syrien, aber auch im Südsudan oder in der Demokratischen Republik Kongo. Bei bewaffneten Konflikten können die Menschen nicht mehr ihre Felder bestellen, sie werden in die Flucht getrieben. Nahrungsmittel werden knapper und dadurch auch teurer. Und Armut bleibt die Hauptursache für Hunger. An und für sich gibt es schon genug zu essen auf der Welt. Schon jetzt könnten zehn Milliarden Menschen ernährt werden. Nur können sich viele das Essen nicht leisten.

Ist das von den Vereinten Nationen gesteckte Ziel, den Hunger auf der Welt bis 2030 zu besiegen, noch einzuhalten?

Wenn wir auf die letzten Jahrzehnte schauen, hat die Welt bei der Hungerbekämpfung durchaus große Fortschritte gemacht. Seit dem Jahr 2000 ist der Hunger um 28 Prozent zurückgegangen. Hungerbekämpfung ist also möglich. Das Ziel ist zwar sehr ambitioniert, aber es ist ein Ziel, das erreichbar ist. Alle Länder der Welt haben sich dazu verpflichtet, und deswegen sollten wir daran festhalten.

Fraser Patterson

31, ist Referent für Welternährung bei der Deutschen Welthungerhilfe.

Als Gründe führt die UN Kriege, Klimawandel und soziale Ungleichheit auf. Das sind sehr komplexe Probleme – die zu lösen keine Institution und kein Land allein imstande ist.

Klar braucht es in den betroffenen Krisenregionen politische Lösungen in Form von zivilen Konfliktpräventionen etwa. Was jedoch auch notwendig ist: dass die Politik auch in den reichen Ländern kohärent ist. Handelspolitik darf ebenso wenig die Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit konterkarieren wie die Nachhaltigkeitsziele der UN. Daran mangelt es jedoch oft auch in den reichen Ländern. Wir brauchen zudem mehr Investitionen in die ländliche Entwicklung. 80 Prozent der Hungernden leben auf dem Land. Kleinbauern zu unterstützen ist daher besonders dringlich.

Erstmals haben die UN-Organisationen auch gezählt, wie viele Menschen von Unterernährung und gefährdeter Nahrungsmittelversorgung betroffen sind. Was hat es damit auf sich?

Mehr als 820 Millionen Menschen leiden unter Hunger, insgesamt zwei Milliarden Menschen leiden an Mangelernährung. Und dieses Problem sehen wir in fast allen Ländern der Welt. Oft ist es verborgener Hunger, die Mangelernährung ist den Betroffenen nicht gleich anzusehen. Und diese Form von Hunger nimmt in vielen Ländern zu, auch in reichen Industrie­ländern. Dort sind es häufig benachteiligte Minderheiten, die davon betroffen sind, überproportional auch Frauen.

Der UN-Ernährungsbericht weist zudem auf das Problem des Übergewichts hin. Vier Millionen Tote sind unmittelbar auf Fettleibigkeit zurückzuführen. Als übergewichtig gelten gar über eine Milliarde Menschen. Wie passt das zusammen?

Auch das ist oft ein Armutsphänomen. Die Leute, die wenig Geld haben, müssen oft die billigsten, damit häufig auch die ungesündesten Lebensmittel kaufen. Häufig sind darin zu viel Fett und zu viel Zucker enthalten. An gesunden Nährstoffen hingegen fehlt es.

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