Vandalismus am Wegesrand

Unbekannte haben zweimal innerhalb kurzer Zeit eine Gedenktafel für Josef Tichy geschändet

Ein Anwohner der Todesmarschroute hatte die Ermordung Tichys gesehen. Der heute 82-Jährige stand damals mit seiner Mutter in der Tür ihres Bauernhofs

Von Andreas Speit

Erst am 13. Juli dieses Jahres hatte der Schleswig-Holsteinische Heimatbund die Gedenktafel für Josef Tichy installiert. Am Kistlohweg in Kisdorf, Kreis Segeberg, hatte ein SS-Mann Tichy vor 74 Jahren auf dem Todesmarsch vom KZ-Fuhlsbüttel ins „Arbeitslager Nordmark“ erschossen. Mittlerweile haben Unbekannte die Gedenkplatte mit dem Portrait des Ermordeten schon zweimal beschädigt. Zuletzt am vergangenen Wochenende.

„Wir sind entsetzt über die Taten“, heißt es von der „Biographien-Arbeitsgruppe Todesmarsch Hamburg-Kiel“ beim Heimatbund. Laut der Bad Segeberger Polizei war die Gedenktafel bereits in der vorvergangenen Woche von Unbekannten mit Farbe beschmiert worden. Sie konnte jedoch ohne Rückstände gereinigt werde. Am Wochenende wurden nun das Portrait von Tichy gestohlen und die Metallträger mit Gewalt verbogen, sodass das Schild nicht mehr gerade steht.

Wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die SS mit vorgehaltener Maschinenpistole auf Befehl der Polizei etwa 800 Gefangene aus dem Gefängnis Fuhlsbüttel ins Arbeitslager getrieben. Der Heimatbund hat sich vorgenommen, gemeinsam mit Kommunen, Archiven und Schulen Gedenktafeln an den Orten aufzustellen, an denen Marschteilnehmer ermordet wurden. Nach der Aufstellung solcher Tafeln in Bad Bramstedt, Neumünster-Einfeld, Neumünster-Wittorferfeld und Kaltenkirchen war die Tafel in Kisdorf-Feld errichtet worden.

Ein Anwohner der Todesmarschroute hatte die Ermordung Tichys gesehen. „Der Gefangene wollte anscheinend austreten, der SS-Mann aber dachte wohl, er wolle flüchten, und hat den Mann erschossen“, erzählt Henry Braasch im Kontext der Errichtung der Gedenktafel. Mit seiner Mutter hatte der heute 82-Jährige in der Tür ihres Bauernhofes gestanden. Die Mutter verhinderte, dass er zu dem Ermordeten lief. „Ich spürte, dass es Unrecht war, aber meine Mutter meinte, dafür sei ich zu klein“, sagt Braasch. Im Gehölz habe die SS ihr Opfer vergraben.

Die Feuerwehr grub Tichy wieder aus und beerdigte ihn auf dem Kaltenkirchener Friedhof. Rund 200 Marschteilnehmer waren dem Schleswig-Holsteinischen Landtag 2016 namentlich bekannt.

Mindestens acht Menschen wurden zwischen Hamburg und Kiel auf der Chaussee erschossen, mindestens acht weitere wurden im „Arbeitslager Nordmark“ ermordet oder starben wenig später an den Folgen der Strapazen des Marsches und der Unterversorgung in der Haft. Bei der Polizei hat der Heimatbund Anzeige wegen Vandalismus gestellt.