Schwimm-Talent Melvin Imoudu: Gewinnertyp mit Mathe-Abi

Melvin Imoudu will bei den Finals drei Goldmedaillen verteidigen. Der 20-Jährige trainiert zehnmal die Woche und lernt nebenbei für Abitur.

Deuterscher Meister im Schwinnen: Melvin Imoudu setzten seine Schwimmbrille

Schon mit 19 dreifacher Deutscher Meister im Schwimmen: Melvin Imoudu Foto: Karsten Thielker

BERLIN taz | Er war die Überraschung bei den Deutschen Schwimmmeisterschaften 2018: Melvin Imoudu. Der damals 19-Jährige schwamm seiner Konkurrenz über 50 und 100 Meter Brust davon und krönte seine Leistung noch mit der dritten Goldmedaille in der 4x100-Meter-Lagen-Staffel zusammen mit Christian Diener, Eric Friese und Yannick Lebherz. Dreimal Deutscher Meister mit nur 19 Jahren – wer schafft das schon?

Nicht einmal Imoudu selbst hatte damit gerechnet: „Letztes Jahr bin ich relativ locker ins Rennen gegangen“, gibt der Schwimmer des Potsdamer SV zu. Über die 50 Meter Brust habe er sich ein paar Chancen ausgerechnet, über die 100 Meter kaum. Er ist die Deutsche Meisterschaft entspannt angegangen – wie vieles andere in seinem Leben auch. Imoudu wirkt nicht wie jemand, der sich stressen lässt. Relaxt sitzt er auf einer Bank vor dem Luftschiffhafen in Potsdam, blinzelt in die Sonne, lacht viel und erzählt drauflos.

Es ist ebendiese Leichtigkeit, die ihm den Vorwurf fehlender Motivation und Einstellung eingebracht hat. Sein Trainer Jörg Hoffmann bezeichnet ihn mehr oder minder spaßeshalber als „Luftikus“ und behauptet, der knapp zwei Meter große Athlet habe eine Aufmerksamkeitsspanne von nicht einmal zwei Minuten. Angesprochen darauf, dass seine Wettkämpfe in der Regel auch nicht länger dauern, grinst Imoudu und sagt: „Eben, da brauche ich ja gar nicht mehr Konzentration!“

Ganz so stehen lassen möchte er die Aussagen über ihn dann aber doch nicht. „Ich bin motiviert – ich habe schließlich meine Ziele und weiß, was ich dafür tun muss“, sagt er. Eines dieser Ziele ist die Titelverteidigung bei den Deutschen Schwimmmeisterschaften dieses Jahr bei den Berlin Finals. Und da gibt der sonst so entspannte Schwimmer doch zu: „Dieses Jahr ist schon ein bisschen Druck da, das zu verteidigen. Ich werde alles dafür machen.“

Leichtigkeit und Ehrgeiz

Eines seiner persönlichen Ziele hat er in diesem Jahr bereits verfehlt: die Qualifikation für die bereits gestartete Schwimmweltmeisterschaft in Gwangju in Südkorea, die noch bis zum 28. Juli 2019 läuft. Die für die Qualifikation nötige Zeit von 59,8 Sekunden auf 100 Meter Brust hat er nicht erreicht. Obwohl sein Trainer ihm gesagt habe, er müsse es nicht zur Weltmeisterschaft schaffen, sondern solle sich auf Olympia 2020 konzentrieren, räumt Imoudu ein: „Natürlich wäre ich gerne zur Weltmeisterschaft gefahren.“ Stattdessen wird er vor den Deutschen Meisterschaften an den Irish Summer Na­tional Championships in Dublin teilnehmen. Es ist nicht ganz die erhoffte internationale Anerkennung.

Damit sich dies im nächsten Jahr bei den Olympischen Spielen nicht wiederholt, sondern er auf der ganz großen Bühne mitschwimmen kann, muss Imoudu noch an sich arbeiten. Besonders im Auge hat er die Startphase und die Wende. In beiden Bereichen möchte er noch an seiner Technik feilen und ist überzeugt, dass ihm dies zu neuen Bestleistungen verhelfen wird: „Da liegen noch ein paar Zehntel – vielleicht sogar Sekunden“, sagt er.

Die Person

Melvin Imoudu wurde 1999 in Schwedt geboren und zog zur 7. Klasse nach Potsdam. Dort trainiert er beim Potsdamer SV und macht sein Abitur an der Sportschule.

Der Sportler

Bei den Deutschen Schwimmmeisterschaften 2018 wurde Imoudu Deutscher Meister über 50 und 100 Meter Brust sowie mit der 100 Meter Lagen-Staffel.

Die Finals

Am 3. und 4. August 2019 finden in Berlin zum ersten Mal „Die Finals“ statt, eine Parallelaustragung der Deutschen Meisterschaften im Bahnrad, Bogensport, Boxen, Kanu, Leichtathletik, Modernen Fünfkampf, Schwimmen, Turnen, Triathlon und Trial. Die Schwimmwettkämpfe beginnen bereits am Donnerstag, den 1. August.

Die Serie

Die taz berlin stellt bis zum Beginn der Finals jeden Dienstag eine*n Teilnehmer*in der Wettkämpfe vor.

Nächste Woche geht es um den Turner Philipp Herder.

Seine Stärken sieht der 20-Jährige hingegen im reinen Schwimmteil – eben in allem, was zwischen Start und Wende passiert. Dass er im Leistungssport landete, ist dabei in seiner Familie kein Wunder: Mit sieben brachte Melvins Großvater ihn zum Schwimmsport und seine große Schwester, Denise Imoudu, spielt in der Volleyball-Bundesliga. Die Geschwister stehen sich nahe, das Geburtsdatum seiner Schwester hat Imoudu sich auf den rechten Oberarm tätowieren lassen. Ebenso wie sie verließ er ab der siebten Klasse seinen Geburtsort Schwedt und ging nach Potsdam auf das Sportinternat. Seine gute körperliche Verfassung hilft ihm seither.

Allerdings war es auch sein Körper, der Imoudu im Alter von 17 Jahren beinahe ein Jahr lang Probleme bereitete. Genauer gesagt: sein Rücken. Plötzlich tauchten Probleme mit der Bandscheibe in der unteren Lendenwirbelsäule auf. „Ich konnte nicht mal mehr gerade laufen und gar nicht ins Wasser“, erinnert sich Imoudu heute. Wenn er über seine Rückenprobleme spricht, schleicht sich Ernsthaftigkeit in seine Stimme, die vorher noch nicht da war: „Ich war kurz davor, aufzuhören.“

Erst, als er an den Physiotherapeuten Matthias Pefestorff geriet, ginges wieder bergauf. Er schwamm ein letztes Mal bei den Deutschen Junio­ren-Meisterschaften mit und konnte trotz wenigen Trainings eine persönliche Bestzeit erschwimmen.

Vielleicht kann der Deutsche Meister heute mit so viel Leichtigkeit an Wettkämpfe und seine Schwachstellen herangehen, weil er dankbar ist, überhaupt noch schwimmen zu können. So drastisch würde der Abi­turient das aber selbst nicht formulieren: „Ich habe mir damals gesagt, ich probiere es noch ein Jahr und gucke, was passiert. Und jetzt bin ich immer noch da“, sagt er und lacht wieder.

Melvin Imoudu scheint eine Balance gefunden zu haben zwischen der ihm nachgesagten Nicht-mal-zwei-Minuten-Konzentration im Wettkampf und seiner Leichtigkeit im Umgang mit dem Drumherum. Ohne Ehrgeiz aber wäre sein Pensum schwer zu schaffen. Zehnmal die Woche trainiert er, größtenteils im Wasser, dreimal die Woche im Kraftraum. Dazu steht das Abitur auf dem Programm. Die ersten Klausuren hat er dieses Jahr bereits geschrieben – unter anderem das von vielen als zu schwer kritisierte Mathematik-Abitur –, nächstes Jahr sind dann die restlichen Prüfungen an der Reihe.

Melvin Imoudu, Brustschimmmeister

„Ich war kurz davor, aufzuhören“

Was danach passiert, ist für Imoudu „noch relativ offen“. Wahrscheinlich wolle er studieren. Wo es ihn hinzieht oder ob er in Potsdam bleiben kann, das werde sich zeigen. Wie so viele Athleten abseits des allgegenwärtigen Männerfußballs kann auch er vom Schwimmen nicht wirklich leben. Zurzeit bekommt Imoudu Sporthilfe, auch erste Sponsoren sind gefunden, aber „das ist natürlich nicht genug“.

Auch deshalb erhofft sich der Schwimmer von den Berlin Finals, dass sein Sport von dem Zuschauer- und Medieninteresse profitieren kann. Die Veranstaltung generell findet er „ziemlich cool“ und will versuchen, sich auch möglichst viele andere Wettbewerbe anzugucken. Vielleicht dann bereits mit den neuen Medaillen um den Hals.

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