Keiner will die Drecksarbeit machen

Weil Arbeitgeber und Gewerkschaften schon seit Langem um die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte kämpfen, drohen nun Streiks. Es geht um Weihnachtsgeld und Überstunden-zuschläge – und darum, überhaupt noch Leute zu finden, die putzen wollen

Wer diesen Wagen schiebt, bekommt 10,56 Euro in der Stunde Foto: Ralf Hirschberger/dpa

VonJan Zier

In Bremen könnten Schulen und Kliniken schon bald schmutzig bleiben. In den Tarifverhandlungen für die Reinigungskräfte ist am 31. Juli die Friedenspflicht abgelaufen. Deshalb drohen nun Streiks – schon im Vorfeld der nächsten Verhandlungsrunde am 15. August. Allein in Bremen sind etwa 9.600 Beschäftigte betroffen. Sollte es keine konkreten Vorschläge der Arbeitgeber geben, stehe der Branche ein „heißer Sommer“ bevor, kündigt die Gewerkschaft an.

Der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks hat den Rahmentarifvertrag zum 31. Juli gekündigt. Zuvor hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Überstundenzuschläge auch Teilzeitkräften zustehen – nach Ansicht der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) gilt das Urteil auch für das Reinigungspersonal.

Seit Januar müsse deshalb jede Überstunde mit einem Zuschlag von 25 Prozent bezahlt werden, so die IG Bau – an die bundesweit knapp 500.000 Teilzeitkräfte genauso wie an Mini-JobberInnen. Der Rahmentarifvertrag gesteht solche Extra-Zahlungen bisher aber nur Vollzeitkräften zu.

Arne Söffge, Geschäftsführer eines Bremer Gebäudereinigers mit 2.500 MitarbeiterInnen sagt deshalb: „Nein“, solche Überstunden-Zuschläge zahle er Teilzeit-MitarbeiterInnen „natürlich nicht“. Söffge ist auch Sprecher der Landesinnung des Gebäudereiniger-Handwerks. „Das zahlen unsere Kunden nicht“, so Söffge.

„Mir ist kein Beispiel in Deutschland bekannt, dass ein Unternehmen die Zuschläge zahlt“, sagt Ulrike Laux vom Vorstand der IG Bau – die Firmen verweigerten sie flächendeckend. Auch Bremen zahlt sie bisher nicht: „Inwieweit das Urteil eine rückwirkende Vergütungspflicht auslöst, können wir aktuell nicht beurteilen“, sagt der Sprecher von Immobilien Bremen – und verweist auf die Tarifverhandlungen.

Von dem Urteil sind viele Beschäftigte betroffen: Weil die meisten Firmen ihre Räume nicht tagsüber, sondern vor oder nach Dienstschluss geputzt haben wollten, hätten Reinigungskräfte oftmals keinen klassischen Acht-Stunden-Job, so Söffge.

Die Gewerkschaft sagt nun: Weil derzeit kein Rahmentarifvertrag gilt, setzten viele Firmen ihre MitarbeiterInnen unter Druck, neue Arbeitsverträge mit deutlich schlechteren Konditionen zu unterzeichnen. „Die sollte keiner unterschreiben“, warnt Inge Bogatzki von der IG Bau in Bremen.

Die Mehrheit der Deutschen meldet ihre Haushaltshilfen nicht an, obwohl sie ein schlechtes Gewissen haben, sie schwarzarbeiten zu lassen. Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Minijob-Zentrale.

Von rund drei Millionen Haushaltshilfen in Deutschland sind nur rund 307.000 bei der Minijob-Zentrale gemeldet, weitere 300.000 haben eine Festanstellung. Etwa 80 Prozent der Hilfen arbeiten schwarz.

71 Prozent der Befragten bezeichneten die fälligen Sozialabgaben als zu hoch.

„Statt bisher 28 oder 30 Tagen Urlaub sollen Beschäftigte jetzt das gesetzliche Minimum von 20 Tagen hinnehmen. Und Zuschläge für besondere Aufgaben wie etwa die Reinigung von Operationssälen werden gekürzt oder ganz gestrichen“, so Bogatzki. Zudem sollen laut IG Bau zahlreiche Beschäftigte, die bislang feste Arbeitszeiten haben, künftig auf Abruf arbeiten.

Bei den Tarifverhandlungen geht es nicht um höhere Löhne, sondern um bessere Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaft verlangt, dass langjährig Beschäftigte höher eingestuft werden und alle Weihnachtsgeld bekommen. „Das ist für die Arbeitgeber ein rotes Tuch“, sagt Bogatzki. Bis Ende 2020 wolle er kein Weihnachtsgeld zahlen, sagt Söffge – denn solange gilt der Lohntarifvertrag noch.

Demzufolge verdienen GebäudereinigerInnen im Westen aktuell 10,56 Euro in der Stunde, wer Glasfenster und Fassaden putzt, bekommt 13,82 Euro. Im kommenden Jahr steigen die Stundenlöhne auf 10,80 beziehungsweise 14,10 Euro.

Eine Reinigungskraft, die Vollzeit arbeitet, verdiene oft nur rund 1.300 Euro netto, so die IG Bau. „Ich hätte nichts dagegen, wenn es mehr wäre“, sagt Söffge: „Ich möchte eine gerechte und vernünftige Bezahlung.“ Denn, und da ist er sich mit der Gewerkschafterin Bogatzki einig: Derzeit sei es sehr schwer, überhaupt noch Reinigungskräfte zu finden.