Nasse Füße unvermeidlich

Starkregen und Sturmfluten: Ganz ist der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten. Die Küstenanrainer müssen ihr Wassermanagement anpassen. Doch wie bereiten sie sich vor?

Wusch: Überflutete Straßen werden ein häufigeres Problem Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Von Lotta Drügemöller

Wie viele Zentimeter Meeresanstieg werden’s denn nun? 20? 40? Noch viel mehr? Bisherige Berichte des Weltklimarates der Vereinten Nationen gingen bis Ende des Jahrhunderts in der pessimistischten Prognose von einem Anstieg bis zu einem Meter aus. Doch darin war nicht eingerechnet, dass auch das Festlandeis schmelzen könnte.

Für Norddeutschland ist eines schon sicher: Die Deiche müssen wachsen. Grundsätzlich sollen sie nach den Vorstellungen des Niedersächsischen Landesbetriebes für Küstenschutz (NLWKN) mit einem „Sicherheitszuschlag“ von 50 Zentimetern versehen werden. Die Basis dafür ist unklar, denn der neue Generalplan Küstenschutz ist noch nicht verabschiedet.

Im Landkreis Stade, in dem die Elbdeiche über eine Strecke von 70 Kilometern erhöht werden müssen, ärgert man sich darüber: „Immer wieder haben wir die Entscheidungen im Ministerium angemahnt. Bisher gab es nur Versprechungen“, klagt Landrat Michael Roesberg (parteilos). „Wir wollen nicht bei einer Sturmflut zum Überschwemmungsgebiet Niedersachsens werden.“ Hamburg und Schleswig-Holstein seien im Deichbau weit voraus.

Auch wenn der Beschluss bald gefasst wird, kann es noch Jahre dauern, bis der Deich die richtige Höhe erreicht: Das Fundament muss mitwachsen, es müssen Nutzungsrechte erworben und Umweltverträglichkeitsprüfungen gemacht werden. Niedersachsen geht trotzdem davon aus, dass alles gut wird: Laut dem Klimareport des Umweltministeriums bleibt auch in den pessimistischen Szenarios ausreichend Zeit.

Der steigende Meeresspiegel ist jedoch nicht das einzige Wasserproblem. Spätestens seit dem Sommer 2016 haben Kommunen und Versicherungen auch das Thema Starkregen auf dem Schirm: vollgelaufene Keller in Bremen, überflutete Straßen in Rostock, abgesackte Grundstücke in Seesen bei Goslar.

Auch im Flecken Steyerberg bei Nienburg an der Weser macht man sich wegen der Wassermassen Gedanken. Riesige Probleme hatte man noch nicht, aber auch hier standen bereits Straßen unter Wasser. „Aber wer weiß, was noch passiert“, sagt Bürgermeister Heinz-Jürgen Weber (CDU). „Wir tun unsern Teil, um den Klimawandel aufzuhalten, aber wir wollen vorbereitet sein, wenn er kommt.“ Ein geplantes Neubaugebiet hat der Rat deshalb nicht ausgewiesen. Zu groß schien die Gefahr, dass die Häuser bei starkem Regen in Zukunft unter Wasser stehen.

Um für die existierenden Flächen eine Lösung zu finden, will sich die Gemeinde an einem Programm des Niedersächsischen Umweltministeriums beteiligen, bei dem untersucht wird, wie viel Wasser die Kanalisation schlucken kann und wo nachgebessert werden muss.

„Da, wo die Fläche versiegelt ist, ist das ein Teil der Lösung“, sagt Weber, „aber es kann nicht darum gehen, nur die Querschnitte der Kanäle zu vergrößern.“ In einem Landschaftsschutzgebiet bei Steyerberg werden deshalb Altarme der Aue als Überflutungsgebiet renaturiert. Und bei einem Wohngebiet in Hanglage wirbt der Bürgermeister bei den Anwohnern dafür, Bäume stehen zu lassen, die den Boden halten. „Sonst kann man nicht dafür garantieren, dass der Berg nach einem Starkregen noch da ist“, warnt er.

Welche Ideen haben Vereine und EinzelkämpferInnen, aber auch Gemeinden und Städte, um Klimawandel und Umweltproblemen im Norden zu begegnen? Die taz nord stellt das Ringen um die Zukunft in loser Folge vor.

Bremen ist weiter als manch niedersächsische Kommune: In dem Stadtstaat gibt es bereits ein Register darüber, welche Gebiete bei hohem Regen besonders stark überschwemmt werden. Eine größere Kanalisation soll auch hier nicht die einzige Lösung sein. Stattdessen sollen Dächer als Versickerungsflächen begrünt und Spielplätze von vornherein als mögliche Auffangbecken für überschießendes Wasser geplant werden.

Regen nicht einfach in der Kanalisation fortzuleiten, sondern langsam versickern zu lassen, hat Vorteile – neben dem Problem Starkregen gibt es schließlich auch die Gefahr von zu wenig Wasser. Zwar hat Niedersachsen laut Klimareport eher einen Wasserüberschuss und die Niederschlagsmenge soll sich in den nächsten Jahrzehnten sogar dezent steigern. Doch das Problem liegt im Detail: Das Mehr an Wasser fällt vor allem im Winter. Im Sommer, wenn die Verdunstung mit steigenden Temperaturen zunimmt, kehrt sich die Wasserbilanz um – Dürresommer sind die Folge.

Gerade in der Landwirtschaft macht sich der Mangel bemerkbar: Der Grundwasserspiegel sinkt vielerorts, Traktoren ziehen braune Staubwolken hinter sich her. „Nach dem letzten krassen Dürrejahr kommen Bauern diesen Sommer teils schon mit ihrem Bewässerungskontingent an ihre Grenzen“, sagt deshalb Walter Hollweg von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.

Teil der Lösung können neue Anbaupflanzen sein, die besser mit Trockenheit klarkommen. Vor allem aber muss auch hier das Wassermanagement neu gestaltet werden: Während man früher aufgrund des Überangebots versuchte, Regen möglichst schnell mit geraden Gräben abzuführen, gibt es heute Überlegungen, das Wasser zu stauen – oder die vorhandenen Drainagesysteme umzukehren und Wasser zurück aus den Gräben auf die Äcker zu führen.