Hamas will weiter gegen Israel kämpfen

Kurz vor Beginn des israelischen Abzugs aus dem Gaza-Streifen konkurrieren die palästinensische Regierung und die Islamisten um die Lorbeeren des Erfolgs. Ungeachtet einer vereinbarten Waffenruhe wird die Siedlung Kfar Darom beschossen

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Im Vorfeld des israelischen Abzugs aus dem Gaza-Streifen streiten die palästinensische Regierungspartei Fatah und die islamistische Opposition Hamas um die Lorbeeren. „Unser Volk beginnt den Staatsaufbau“, sagte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Verlauf einer von der Autonomiebehörde veranstalteten riesigen Abzugsfeier am Hafen der Fischer in Gaza: „Heute Gaza, morgen Jenin und übermorgen Jerusalem.“ Es werde nur „ein Gesetz und eine Waffengewalt“ geben, meinte er, sehr zum Unwillen von Mahmud A-Sahar, Chef der Hamas im Gaza-Streifen, der eine Entwaffnung seiner Männer strikt ablehnt.

Rund 7.500 palästinensische Sicherheitsleute sind im Einsatz, um Übergriffe gegen Israel und jüdische Siedler zu verhindern. Die Hamas will zwar für die Dauer des Gaza-Abzugs von Angriffen absehen, hält sich aber für die Zeit danach die Option offen, auf mögliche israelische Aggressionen zu reagieren. „Es sind unsere Waffen, die die Besatzung bezwungen haben“, konterte A-Sahar die Andeutungen von Abbas, die Gewehre zu konfiszieren. A-Sahars Aufforderung an die eigenen Männer, „niemanden außer Juden zu verletzen“, deuten Aktivisten der Bewegung als eine Botschaft, Hamas sei in der Lage, die palästinensischen Sicherheitskräfte anzugreifen.

Zahlreiche neue Kämpfer wurden am Wochenende mit dem Zeugnis des militärischen Hamas-Flügels ausgezeichnet. Sonderkommandos sollen unmittelbar nach dem Abzug in die verlassenen jüdischen Siedlungen einziehen, um den vermeintlichen Sieg der Bewegung über die israelische Armee zu demonstrieren. Der ehemalige palästinensische Sicherheitschef und jetzige Minister für Zivilangelegenheiten, Mohammad Dahlan, drohte: „Wir werden niemandem erlauben, die Kontrolle über die Palästinensische Autonomiebehörde zu nehmen.“

Außerdem brodelt es innerhalb der Fatah. Der in Tunis lebende Parteichef Farouk Kaddoumi kündigte an, nach Gaza ziehen zu wollen, um die militärischen Kräfte der Autonomiebehörde und der Opposition in einer „Volksarmee“ zu vereinen. Diese Armee soll, Berichten der liberalen israelischen Tageszeitung Ha’aretz zufolge, jüngst in die Frührente entlassene Sicherheitsleute umfassen. Kaddoumi würde damit die von Abbas getroffenen personellen Reformmaßnahmen unterlaufen.

Trotz der für die Zeit des Abzugs garantierten Waffenruhe kam es in der Nacht zum Sonntag zu einem Schussüberfall auf die jüdische Siedlung Kfar Darom, die am Mittwoch geräumt werden soll. Ein Panzer, der auf die Angreifer zielte, traf versehentlich einen eigenen Truppentransporter und verletzte fünf Soldaten zum Teil schwer. Der Zwischenfall ist Wind auf den Mühlen der Abzugsgegner, die Israels Premierminister Ariel Scharon dafür kritisieren, „unter Feuer“ die Siedler aus dem Gaza-Streifen abzuziehen. Die Polizei rechnet mit 3.000 bis 5.000 jüdischen Aktivisten, die sich in den Gaza-Streifen eingeschlichen haben, um den Abzug zu vereiteln. Einige Siedler haben begonnen, die Ortseinfahrten zu verbarrikadieren.