Sind
E-Roller
die
Zukunft?

Seit ein paar Wochen sind sie auch in Hamburg allgegenwärtig – sie behindern Fahrradfahrer und Autos, stehen auf Gehwegen herum und liegen im Gebüsch. Doch wird der Verkehr durch sie auch umweltfreundlicher? Versuch einer ersten Bilanz43–45

Jetzt auch in Hamburg: E-Roller an der U-Bahn-­Station Berne Foto: Ann-Kathrin Just

ja,

Der Roller ist das ideale Fahrzeug für die „letzte Meile“ von und zur Haltestelle

elektrisch angetriebene Roller sind ein wichtiger Baustein des umweltfreundlichen Verkehrssystems der Zukunft. Wichtig ist hier das Wort „System“. Es geht darum, Verkehrsmittel nicht isoliert zu betrachten – nicht eines als die Zukunft –, aber als Teil eines ineinandergreifenden Angebots, bei dem jeder Baustein und damit jede Verbesserung zählt, wenn dem PKW das Wasser abgegraben werden soll.

Denn was das Auto unter anderem so attraktiv macht, sind die Reisezeiten von Tür zu Tür. Wer öffentliche Verkehrsmittel benutzt, muss zeitraubende Wege von und zur (Schnell-)Bahnstation einkalkulieren. Verkehrsplaner halten einen Weg von bis zu 600 Metern zur Haltestelle für akzeptabel. Wer schnell geht, schafft das in sieben Minuten – der Roller in zwei. Bloß haben die meisten Menschen allenfalls eine Bushaltestelle in dieser Entfernung.

Der Roller ist das ideale Fahrzeug für die „letzte Meile“ von und zur Haltestelle – aber nicht nur das: Weil er so bequem, agil und niedrigschwellig zugänglich ist, bietet er einen Anreiz, auch für längere Strecken das Auto stehen zu lassen.

Dass das ökologisch Vorteile bietet, ist augenfällig: Der Roller wiegt 20 Kilo, ein Auto eine Tonne. Entsprechend geringer sind der Herstellungsaufwand und der Energieverbrauch. Dass im Zusammenhang mit den Rollern deren Lithium-Ionen-Akkus diskutiert werden, ist einigermaßen abwegig. Auch stellt sich die Frage, warum die beim PKW 100.000 Kilometer und mehr halten sollen und gerade beim Roller nicht.

Schließlich die Frage der Gefährlichkeit: Seriöse Untersuchungen gibt es dazu noch nicht. Doch das Risiko dürfte eher gering sein. Die Roller dürfen nicht auf dem Gehweg fahren, kommen den Fußgängern also auch nicht mehr ins Gehege als Radfahrer. Dabei sind sie wendiger und die Fallhöhe ist geringer.

Wie bei jedem Verkehrsmittel bedarf auch die Benutzung der Roller einer gewissen Grundkompetenz und eines Verantwortungsgefühls. Und am besten wäre es, wenn die Leute auf das „E“ beim Rollern verzichten würden. Tretroller wären komplett umweltfreundlich und gesund. Gernot Knödler

nein,

Die Roller jeden Tag aufzulesen, verursacht jede Menge motorisierten Zusatzverkehr

sie sind ganz sicher kein Baustein einer Verkehrswende. Und sie leisten auch keinen Beitrag zum Klimaschutz. Keine Frage: Es macht wirklich Spaß, mit diesen kleinen Zweirad-Flitzern zu fahren. Aber sie werden eben vor allem für die kurzen Wege genutzt, die „letzte Meile“ zum Arbeitsplatz oder zur S-Bahn, die man bislang zu Fuß oder per Fahrrad zurückgelegt hat. Auch wenn die Branche das Gegenteil prophezeit: Vom Auto auf den Roller steigt kaum jemand um.

Trotz Staugefahr ist der Pkw in allen Nutzerinnenumfragen die Nummer eins im Stadtverkehr, weil er mehrere Personen befördern, auch schwere Einkäufe transportieren und bei jedem Wind und Wetter benutzt werden kann. All diese Argumente sprechen gegen die E-Scooter. Attraktiv sind die Roller für diejenigen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad vorankommen. Und diese Bewegung aus eigener Kraft – das bestätigt jeder Allgemeinmediziner – ist dringend, dringend notwendig. Noch bequemer ist nicht gesund.

Ungesund ist auch die Ökobilanz der „sauberen Roller“: Die Gefährte wie auch ihre hochgiftigen Batterien halten nur wenige Monate. Danach bleibt jede Menge Elektroschrott und Sondermüll zurück. Und: E-Scooter produzieren zwar keine Abgase, sie werden aber mit Strom „betankt“. Die Stromerzeugung aber ist der Bereich, der mit am meisten Treibhausgase verursacht. Und die sogenannter Juicer, die die Gefährte einsammeln, „betanken“ sie meist an der heimischen Steckdose, aus der nur selten Ökostrom kommt.

Apropos einsammeln: Die Roller jeden Tag aufzulesen, verursacht jede Menge motorisierten Zusatzverkehr, den es vorher nicht gab. Statt weniger rollen erst einmal mehr Autos über die Straßen.

E-Roller sind kein Mosaikstein eines umweltgerechten Stadtverkehrs. In Hamburg sind sie zur Plage geworden: Ohne ökologischen Nutzen, gefährlich für andere VerkehrsteilnehmerInnen. Verkehrswende geht anders. Und wem es wirklich um Nachhaltigkeit und vielleicht auch noch die eigene Gesundheit geht, der nutzt auf kurzen Stecken lieber die eigene Muskelkraft. Marco Carini