ausgekaisert
: Streit um Wilhelms Saal

Die Revolution findet im Saale statt. Und auch noch an einem Montagvormittag im Hamburger Rathaus. Im Kaisersaal, der die längste Zeit diesen Namen trug, wenn es nach der Linksfraktion in der Bürgerschaft geht.

Die nämlich fordert die Umbenennung in „Republikanischer Saal“. An guten Gründen dafür mangelt es wahrlich nicht, ein ganzes Jahrhundert nach der Novemberrevolution und dem Hamburger Sülze-Aufstand vom Juni 1919, bei dem Dutzende hungernde ArbeiterInnen von der Reichswehr und den Freikorps erschossen wurden.

Und deshalb findet die revolutionäre Linke, dass ein spezielles Relikt der Hohenzollern-Monarchie, der Kaisersaal eben, „endlich dem republikanischen und demokratischen Geist“ weichen müsse. So heißt es in ihrem Antrag, der am 14. August in der Bürgerschaft beraten werden soll. Denn der prunkvolle zweitgrößte Saal im Rathaus, der während der Plenarsitzungen des Parlaments als Kantine zweckentfremdet wird, wurde im Jahr 1895 zu Ehren von Willem Zwo so benannt. Er hatte hier am 18. Juni in Begleitung von 300 Repräsentanten des deutschen Hochadels auf Einladung der Stadt diniert, bevor er tags darauf den frisch gebuddelten Kaiser-Wilhelm-Kanal offiziell zu eröffnen geruhte. Der heißt nun auch schon seit 1948 Nord-Ostsee-Kanal und international kurz Kiel Canal, was ebenfalls auf eine unmittelbare Verbindung zum Matrosenaufstand von 1918 im kaiserlichen Kriegshafen an der Förde hindeutet.

Diese Erinnerung an die „morsche, reaktionäre Monarchie“ müsse nun getilgt werden, findet die Linksfraktion. Deshalb sei nicht nur der Saal umzubenennen, sondern außerdem zwei RepräsentantInnen des ersten demokratischen Deutschlands zu gedenken: des Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrats, Heinrich Laufenberg, und der Alterspräsidentin der ersten gewählten Bürgerschaft, Helene Lange.

Zweierlei indes übersieht die Linke geflissentlich: Was soll geschehen mit den 20 Statuen deutscher Kaiser und Könige an der Rathausfassade über dem Haupteingang? Und welches Schicksal soll der Hitler-Büste zuteil werden, die seit Mai 1945 in einer Abstellkammer ganz unten in den Katakomben des Rathauses vor sich hin staubt? Sven-Michael Veit