Ermittlungen nach Heß-Marsch: Heß-Gegner als Kriminelle?

Die Polizei ermittelte gegen Nazigegner wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Staatsanwaltschaft verfolgt nur noch Landfriedensbruch.

Linke stehen hinetr einer Polizeikette und zeigen Mittelfinger

Gegenproteste gegen den Heß-Marsch 2017 in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Zwei Jahre nach einem Vorfall in Zusammenhang mit Protesten gegen den neonazistischen Rudolf-Heß-Marsch im August 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 34 Personen wegen schweren Landfriedensbruchs. Das bestätigte eine Sprecherin auf Anfrage der taz.

Die Gruppe war auf Fahrrädern unterwegs nach Spandau, als sie in der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee auf einen Werbestand der AfD für die Bundestagswahl stieß. Dabei sei es zu Rangeleien gekommen und der Stand sei umgekippt. So sagen es an dem Vorfall Beteiligte in einer Stellungnahme, die das Berliner Bündnis gegen Rechts (BBgR) am Mittwoch veröffentlichte.

An der Auseinandersetzung sei eine „Handvoll Fahrradfahrer*innen“ beteiligt gewesen. Die AfD Charlottenburg-Wilmersdorf sprach am Tag des Vorfalls von „30 Antifaschist*Innen“, die ihren Stand attackiert und „die Verteilung von Flyern verhindert“ hätten. Kurz nach dem Aufeinandertreffen, an dem auch ein Zivilpolizist beteiligt gewesen sein soll, wurden die Linken von der Polizei festgesetzt und ihre Daten aufgenommen.

Einige von ihnen, der BbgR-Sprecher spricht von „zwei oder drei Personen“, sollen nun über ein Auskunftsersuchen beim Bundeszentralregister erfahren haben, dass sie „im polizeilichen Informationssystem des Bundeskriminalamts mit dem Vermerk ‚Politisch motivierte Kriminalität – links‘ geführt werden“. Der angegebene Grund: „Paragraf 129 Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Vermutet wird, das dies auch bei den anderen Personen der Fall ist.

Der Paragraph stellt allein die Zurechnung zu einer Gruppe unter Strafe und gilt Kritikern als Schnüffelparagraph, der er als Legitimation zur Totalüberwachung von Personen genutzt werden kann.

Kontrollen am Flughafen

Laut BBgR hatte der Eintrag Folgen für die Betroffenen: „Einigen wurde in den letzten Monaten der Zutritt zu Behörden verwehrt. Eine Person wollte ehrenamtlich arbeiten und wurde aufgrund des Eintrags abgelehnt. Mehrere wollten in den Urlaub und wurden am Flughafen länger festgehalten.“

Die Einträge sollen auf das Berliner LKA zurückgehen und über das länderübergreifende Informationssystem Inpol für alle Polizeibehörden abrufbar sein. Inzwischen hat die Polizei ihre Ermittlungen eingestellt, wie sie auf Anfrage der taz mitteilte. Die Einträge, die so etwas wie den Anfangsverdacht der Polizei darstellen, sind aber wohl dennoch nicht gelöscht.

Bei der Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs übernommen hat, wird nicht wegen des Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. „Paragraph 129 ist derzeit nicht der Tatvorwurf“, heißt es.

Aus einer der taz vorliegenden bislang unveröffentlichten Anfrage der Linken-Abgeordneten Niklas Schrader und Anne Helm zu „Ermittlungs- und Strafverfahren nach §129“ geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft Berlin und die Generalstaatsanwaltschaft seit 2017 in zwölf Verfahren nach §129 ermitteln; ein Fall aus dem August 2017 ist nicht darunter.

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