Erfindung vom Reißbrett

Von Bahnrad und Bogenschießen über Kanu bis Triathlon und Turnen: Bei „Die Finals“ tragen zehn verschiedene Randsportarten erstmals ihre Deutschen Meisterschaften gebündelt aus. Ob das neue Event nach seiner Premiere weiter stattfinden wird, ist aber noch ungewiss

Von Alina Schwermer

Dass man zusammen weniger allein ist, hat natürlich nicht der Sport erfunden. Und dass man im Kollektiv den ganz großen Fisch in die Flucht schlagen kann, steht schon bei „Swimmy“. Dieses weiterhin recht berühmte Kinderbuch hat dem sogenannten Randsport also einiges voraus, aber jetzt wird nachgezogen, jetzt treten die Marginalisierten des Sports gemeinsam an.

Am 3. und 4. August finden erstmals in Berlin die sogenannten Finals statt, eine Neuerfindung vom Reißbrett mit einigen internationalen Vorbildern. Die Finals deswegen, weil etwas ganz Großes suggeriert werden soll, ein gewisses Renommee, die Fußball-WM der Männer ist schließlich auch nur die WM. Die Finals also. Hier tragen zehn verschiedene Sportarten erstmals ihre Deutschen Meisterschaften gebündelt aus, unter anderem Leichtathletik, Turnen, Schwimmen, Boxen.

Das Mehrheit davon sind Dinge, wo man sich kaum vorstellen kann, dass ein Mensch, der nicht mit einem Athleten verwandt oder verschwägert ist, sie einzeln anschauen würde, so was wie die Deutsche Meisterschaft im Bogenschießen oder jene im Bahnrad, aber hier kommt eben der Schwarm ins Spiel: Theoretisch kann man sich alle zehn Sportarten in zwei Tagen anschauen, dafür ist gesorgt. Kennenlernen, Herumstromern, Abwechslung. Und Mini-Olympia klingt nun auch wesentlich cooler als die Deutsche Meisterschaft im Bahnrad.

Man kennt diese Kombi-Turniere, man weiß auch, dass das in aller Regel funktioniert. Es läuft ja auch bei Olympia, wo plötzlich bei Kanu und Beachvolleyball eingeschaltet wird und jeder Turnen verfolgt, ein Mal in vier Jahren. Vergrößerung statt Verzwergung. Erstaunlich, dass noch niemand vorher auf den Gedanken kam, so was auch mal in Deutschland zu probieren. Eine Vision, ein Aufbruch. „Ich liebe die Idee, dass deutscher olympischer Sport zusammenrückt“, hat Olympiasieger Thomas Röhler gesagt.

Ein neuer Triumphzug of the Schwarm, der den Fußball zumindest ein bisschen in die Schranken weisen soll – mit Bedacht zu einem Zeitpunkt, wo die Bundesliga noch nicht begonnen hat. Zwanzig Stunden Übertragung durch ARD und ZDF, und natürlich soll alles bewusst ein bisschen anders als der Fußball sein. Näher vor allen Dingen. Wo Kanuten über die Spree paddeln, zum Anfassen beinahe, wo man rein in die Städte geht statt raus in die Stadien, wo die Strecken von Triathlon und Fünfkampf durch die City führen, wo es auch ein bisschen unperfekt, ein bisschen wild, ein bisschen ohne Glamour sein darf. Die Kanustrecke ist extra auf ein dramatisches Finish ausgelegt, inklusive eventuelles Kentern, so was sieht das Publikum gern. Und dann, so die Hoffnung, sollen sie bleiben. Am Ball bleiben, wenn das nicht wieder so nach Fußball klingen würde.

Es ist ein Prestigeprojekt für mindestens gleich drei der Beteiligten: für die Sportarten, für die öffentlich-rechtlichen TV-Sender – die sich oft ihren allzu großen Fußball-Fokus vorwerfen lassen dürfen – und für die Stadt Berlin. Denn Berlin möchte ja gerne noch mehr Sportstadt sein, als es ohnehin schon ist. Am allerliebsten würden Teile der lokalen Politik mal wieder Olympia ausrichten. Anfang des Jahres war eine Ausrichtung 2036 im Gespräch, fand allerdings wegen des hundertjährigen Jubiläums der Nazi-Spiele nicht überall Freunde. Und wenn es nicht Olympia wird, dann zumindest die Finals.

Fürs Portemonnaie okay

Solche Konglomerate funktionieren eigentlich, möchte man vermuten, innerhalb Deutschlands fast nur in Berlin. Genug Publikum, genug anreisende Gäste auch, die den Sport mit einem Wochenendtrip verbinden. Das Internationale Deutsche Turnfest war hier ein fetter Erfolg und ging anderswo baden, am liebsten würden sie jetzt dauernd nach Berlin kommen. Die European Championships, ein erster Versuch der Bündelung im vergangenen Jahr, teilten sich Berlin und Glasgow, auch ziemlich erfolgreich. Ob die Finals nach ihrer Premiere weiter stattfinden dürfen, ist ungewiss, aber wenn sie funktionieren, kommen sie sicher nicht zum letzten Mal nach Berlin.

Fürs Portemonnaie ist all das auch recht okay. Einige Wettkämpfe sind sogar kostenlos, andere – wie Schwimmen und Bahnrad – verlangen Eintritt. Und am Rande sollen sich Vereine und Verbände des Breitensports vorstellen, sollen die Spitze und die Basis in einem einzigen Event versöhnt werden. Die fortschreitende Eventisierung des Sports ist auch in den olympischen Disziplinen angekommen, dafür sind die Finals ein Symbolbild.

Die Konkurrenz um die kostbare Freizeit des Menschen ist größer geworden – auch innerhalb des Sports. Leichtathletik und Co. sollen mit den Finals also wieder ein Stückchen cooler werden. In der Eventisierung waren sie ohnehin einmal, lange vor dem Fußballboom, Pioniere: mit der Neuerfindung der Olympischen Spiele, dem gebündelten Sportevent schlechthin.

3 Gewinner stehen fest

Nicht gerade eine Trendsportart: Bogenschießen Foto: Foto:Deutscher Schützenbund

Ein „Sportwochenende der Superlative“ verspricht die Ankündigung: Es sind mehr als 3.300 Sportler:innen, die am 3. und 4. August binnen 48 Stunden bei „Die Finals“ an verschiedenen Orten – vom Olympiastadion bis zur Spree – um zehn Deutsche Meisterschaften kämpfen. Es ist ein Prestigeprojekt für mindestens drei der Beteiligten: für die (Rand-) Sportarten, die Stadt Berlin und die öffentlich-rechtlichen TV-Sender, 20 Stunden wollen sie live übertragen, im Internet sogar alle Wettkämpfe. Wer die Sportler:innen selber vor Ort sehen, will sollte wissen, dass einige Wettkämpfe kostenlos zu besuchen sind.

Die Finals: 3. & 4. 8., Programm unter: finals2019.berlin.de