Andreas Speit
Der rechte Rand
: Wie vor 50 Jahren gegen die NDP demonstriert wurde

Foto: Jungsfoto: dpa

Der weiße Schriftzug auf der grauen Betonwand der Eisenbahnbrücke dürfte früher mehr geschimmert haben. Gut zu lesen ist die Parole aber heute noch: „Keine Stimme der NPD“ steht da, und wer auf der Ringstraße zwischen den Flensburger Ortsteilen Sünderup und Hochfeld fährt, passiert diese Botschaft. Vor fast 50 Jahren hat irgendwer dieses Nein zur ältesten rechtsextremen Partei Deutschlands gemalt. Der Anlass: eine Wahlkampfveranstaltung der NPD im „Deutschen Haus“ in Flensburg am 22. August 1969.

Die NPD hatte in dem Jahr auch in mehreren norddeutschen Landesparlamenten Mandate. In Bremen konnte sie 1966 8,8 Prozent, in Niedersachsen 7 Prozent und in Schleswig-Holstein 5,8 Prozent der Stimmen gewinnen. Erste Erfolge erzielte die NPD bei der Kommunalwahl 1966 in Oldenburg (Holstein) mit 11,2 Prozent und in Timmendorfer Strand mit 9,5 Prozent. Die Partei fühlte sich im Aufwind und der damalige Bundesvorsitzende Adolf von Thadden reiste als Redner nach Flensburg an.

Der Protest gegen die Veranstaltung war massiv. „Diese Demonstration war eine der größten Demos, die es je in Flensburg gegeben hat“, schreibt ein taz-Leser und berichtet über einen damals 30-jährigen Lehrer von der dänischen Insel Seeland. Der demonstrierte aus „Sorge um ein Wiedererwachen des Faschismus“. Einen Stein soll er an die Mauer des „Deutschen Hauses“ geworfen haben, die Polizei machte ihn als „Rädelsführer“ aus und das Flensburger Schöffengericht verurteilte ihn wegen Aufruhrs und Landfriedensbruch zu sechs Monaten Haft. Dem Lehrer, so Amtsgerichtsdirektor Hermann Jahncke, sei es nur „um Rabatz“ gegangen. Mit seinem Protest habe er „gemeinsame Sache“ mit „anarchistischen Elementen“ gemacht.

Die angesprochenen „anarchistischen Elemente“ kritisierten das Urteil. Die Polizisten hätten sich abgesprochen und der Richter habe das mitgemacht und habe nicht neutral geurteilt, so der Vorwurf. Der Hintergrund: Bereits 1954 teilte Schleswig-Holsteins damaliger Ministerpräsident Wilhelm Lübke (CDU) mit, dass rund 6.000 ehemalige Angehörige des öffentlichen Dienstes aus der NS-Zeit wieder Beschäftigung im Land gefunden hätten. Etwa 50 Prozent aller Dienststellen in Verwaltung, Schule, Polizei und Justiz waren auch 1969 noch also mit Personen besetzt, die auch während der NS-Zeit im öffentlichen Dienst tätig waren.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages stellte 2009 fest, dass in Schleswig-Holstein alle Mitglieder der seit 1950 bestehenden Regierungskoalition aus CDU, „Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten“, „Deutsche Partei“ und FDP der NSDAP oder anderen NS-Organisationen angehört hatten. Alleine Innenminister Paul Pagel (CDU) gehörte dem Widerstand an. Kein Wunder also, dass der Kieler Landtag 1951 das „Gesetz zur Beendigung der Entnazifizierung“ beschloss und alle Verfahren beendet wurden. Dieser damals herrschende Geist dürfte nach der Demo gegen die NPD mit zur Verteilung des Lehrers geführt haben. Andreas Speit