Alexei Nawalny kommt in die Klinik: Allergie oder Giftanschlag?

Der inhaftierte russische Blogger kommt in eine Klinik. Seiner Ärztin wird eine Untersuchung verweigert. Die Opposition kündigt neue Proteste an.

Eine Nahaufnahme von Alexei Nawalny

Der Blogger Alexei Nawalny: Noch ist unklar, was der Grund für seine Erkrankung ist Foto: ap

KIEW taz | Der russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, der seit dem 24. Juli wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eine 30-tägige Arreststrafe absitzt, ist möglicherweise Opfer eines Giftanschlages geworden.

Am Sonntag war er von der Haft in die Städtische Klinik in der Wawilov-Straße eingewiesen worden. Der inhaftierte Politiker leide unter einer „akuten allergischen Reaktion“, die zu einer Anschwellung des Gesichtes und geröteter Haut führte, hatte seine Pressesprecherin, Kira Jarmysch zunächst erklärt.

„Nawalny geht es gut. Er hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, Sie sollen nach Hause gehen“, versuchte ein Arzt mehrere Dutzend Weggefährten des Politikers, die sich am Eingang des Krankenhauses nach dessen Befinden erkundigt hatten, am Sonntag zu beruhigen.

Doch die nächtlichen Besucher glaubten dem diensthabenden Arzt nicht. Ebenfalls am Sonntag hatte das Krankenhaus, in dem Alexei Nawalny von medizinischem Personal und Polizisten abgeschirmt wird, der persönlichen Augenärztin des Politikers, Anastasia Wasiljewa, den Zugang zu ihrem Patienten verwehrt. Erst am Montagvormittag durfte sie ihn besuchen.

Ausschlag an Gesicht und Körper

Nawalny, so ihre Diagnose, leide an einer Kontaktdermatitis. Er habe ein ernstes Ödem, Blutansammlungen an den Augenlidern, eitrigen Ausfluss auf der rechten Bindehaut des Auges. Es sei nicht klar, welcher toxische Stoff die Hautausschläge an Gesicht und Körper verursacht habe, schreibt die Ärztin auf ihrer Facebook-Seite.

Nawalny dürfe auf keinen Fall vom Krankenhaus in die Haftanstalt zurückgebracht werden, forderte sie. Ein erneuter Kontakt mit dem bisher noch unbekannten toxischen Stoff könne sehr ernste Folgen für ihren Patienten haben.

Doch genau das ist geschehen. Am Montagnachmittag wurde Nawalny aus dem Krankenhaus in die Haftanstalt verlegt. Er hat eine Vorgeschichte mit Augenleiden. Im April 2017 war er mit einer chemischen Flüssigkeit, dem sogenannten Brilliantgrün, angegriffen worden. Die Folgen dieses Angriffs hatte er in einem spanischen Krankenhaus behandeln lassen.

Seit den Moskauer Bürgermeisterwahlen von 2013, bei denen er mit 27 Prozent auf dem zweiten Platz gelandet war, gilt der Politiker, der seine Wurzeln in der nationalistischen Bewegung hat, als führende Persönlichkeit der russischen Protestbewegung. Mehr als 200 Tage hatte er in den letzten zehn Jahren in Moskauer Arrestzellen gesessen.

Festnahmen vor dem Krankenhaus

Das harte Vorgehen gegen Nawalny hat erneut Protest hervorgerufen. Mehrere Dutzend Menschen hatten die ganze Nacht vor dem Krankenhaus ausgeharrt, um gegen die Behandlung des Politikers zu protestieren. Dabei kam es erneut zu Festnahmen.

Überall in der Welt sei eine ernsthafte Verschlechterung des Gesundheitszustandes ein Grund für eine Hafterleichterung oder eine Entlassung. Nur nicht bei Nawalny, schimpft ein Sergej Rybakow auf seiner Facebook-Seite.

Man müsse aber auch sehen, dass es anderen unbekannten Gefangenen noch schlechter als Nawalny gehe, meint Rybakow: „Derartiges kann jedem von uns passieren. Der Unterschied ist nur: Über Nawalny schreibt man. Wenn das einem von uns passieren würde, würde niemand etwas davon erfahren.“

Unterdessen bereitet sich die Opposition auf neue Proteste vor. Am 3. August soll wieder für eine Zulassung der Oppositionskandidaten bei den Kommunalwahlen demonstriert werden.

Wichtiges Barometer

Bisher seien 10.000 oder auch 15.000 auf der Straße gewesen, schreibt ein Kirill Rogov im Internetportal besttoday.ru. Doch man müsse sehen, dass im Juli die Hälfte der 20 bis 40 -Jährigen unterwegs sei. Und dies bedeute, dass sich das Protestpotential in den kommenden Monaten verdoppeln oder gar verdreifachen werde.

Es spricht so einiges dafür, dass die für den 8. September angesetzten Kommunalwahlen zu einem wichtigen Barometer der Stimmung in Russland werden.

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