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Warum Fußballerinnen wie Steuerflüchtlinge spielen, Stadien in Schnappatmung geraten, Bernd Schmelzer einmal danebenlangt und nur Männer in der Kneipe Frauenfußball gucken – die Fußball-WM in Schlagworten

Die Geschlechter
: Yin und Yang und Mann und Frau

Sie sind wie ein Seniorenpärchen, die männlichen und weiblichen WM-Teams. Sie werden einander mit dem Alter immer ähnlicher. Die Spanierinnen schieben jetzt auch Bälle von A nach B nach C wie sonst nur Steuerflüchtlinge ihre Millionen, Tiki-Tak schlägt die Uhr. Die deutschen Frauen und Männer sind ein einträchtiges Duett, eine Ode an die Stagnation. Die Engländerinnen können keine Elfmeter schießen, die Französinnen funktionieren bloß als Konterteam, und ist Mbappé nicht auch nur eine männliche Diani? Effe war Tiger, van de Sanden trug Leo­pard, und beide sind derzeit voll egal. Rapinoe und Trump sind zwei Seiten derselben Medaille, eigentlich steht dem Mixed-Fußball nichts mehr im Weg. Denn wer kauft schon die Kopie, wenn es fünfmal teurer auch das Original gibt? Jetzt machen wir gemeinsam Mil­lio­nen, ach was, Milliarden. Und überhaupt scheidet Deutschland auch nur noch alle zwei Jahre aus. asc

Der Videobeweis
: Ein Hauch von Mathe-Unterricht

Vor der Einführung des Videobeweises hatten Wiederholungen stets einen boulevardesken Charakter. Man wusste, wo Jogi Löw an der Seitenlinie seine Hände hatte, wann Jens Lehmann fürs Wasserlassen hinter der Bande verschwand, und welche Frisur Cristiano Ronaldo vor und nach der Pause hatte. Seitdem es aber diese rechteckige Schiri-Geste gibt, bei der das halbe Stadion in Schnappatmung verfällt, sieht es anders aus. Natürlich bleibt man von Flitzerinnen im Champions-League-Finale nicht verschont. Sobald man die Kameras aber auf das Spielgeschehen lenkt, wird es chaotisch. Wann greifen sie ein, wann nicht? Wann behalten sie recht? Fragen über Fragen. Doch bei der Weltmeisterschaft behielt der Videoschiedsrichter erstaunlich oft Recht. Regelkonform, aber dennoch irgendwie praxisfern. Um es in den Worten meiner Mathe-Lehrerin auszudrücken: „Immer bemüht, aber dennoch fehl am Platz.“ jhoe

Die Quoten
: Noch nicht ganzauf Betriebshöhe

„Sie sind jetzt auf Betriebshöhe“, sagt Claudia Neumann, und später dann: „Sie strotzen ihnen ein Unentschieden ab.“ Ich denke mir: Ist immer noch besser als dieses Streber-Deutsch von Bernd Schmelzer, und außerdem scheint derlei Sprachquark nur wenige zu stören, denn die TV-Quoten bei dieser WM waren ziemlich gut. Fast acht Millionen sahen das Aus der DFB-Frauen im Fernsehen. In Italien, England, Frankreich oder Holland feierten sie Rekordquoten. Dort wurde der Frauenfußball auf gewisse Weise vom Sofa aus neu entdeckt, was auch daran lag, dass die Anstalten WM-Spiele prominent ins Programm nahmen. Das Problem dabei: Jedes Land schaute sich nur seine Mannschaft genauer an. Wenn China gegen Schweden in der Vorrunde spielte und nur im Netz gestreamt wurde, dann verkam das Match zu einem Pflichttermin für Connaisseurs. Die Event-Surfer wollen also noch abgeholt werden, zukünftig. mv

Die Sprache
: Frauen in derZwei-Mann-Mauer

Man stelle sich vor, DFB-Manager Oliver Bierhoff hätte sich auch für die Frauenfußballnationalmannschaft ein Marketingkonzept überlegt. Hätte er die Auswahl am Ende auch „Die Mannschaft“ genannt? Oder „Die Frauschaft“? Hätte man sich auf „Das Team“ geeinigt? Die „Frauen-WM“ forderte sprachlich einiges – von allen Beteiligten. Und dabei geht es nicht einmal ums Gendern, sondern nur um ein Geschlechterbewusstsein. Das fängt bei den Spielerinnen, oder wie es manchmal lustig verdoppelt hieß: den Frauenfußballerinnen selbst an. Auch aus ihren Mündern hörte man Beschreibungen wie „der Gegner“ oder: „Ich bin Verteidiger.“ Im Laufe der Zeit waren „die Engländerinnen“ und „die Amerikanerinnen“ selbstverständlich geworden; man las sogar von „Viertelfinalistinnen“ und „Abwehrfrauen“. Sogar die FernsehkommentatorInnen machten vieles richtig. Bis ARD-Mann Bernd Schmelzer dann doch ein lustiger Lapsus unterlief. Er sprach von der „Zwei-Mann-Mauer“, die die Abwehrspielerinnen bilden mögen. rh

Das Dramolett
: Linke und Weltmeisterschaft

Fotos: ap: 1, dpa: 1, reuters: 3

Wohlwollender Veranstalter: „Wir würden gerne mit dir einen Abend zum Thema Frauenfußball machen.“

Kompetenter Referent: „Gerne, was denn genau?“

„Ein Vortrag, wie gesellschaftlich bedeutend der Sport ist.“

„Nur übers deutsche Team?“

„Nein, natürlich nicht. Gerade andere Kontinente interessieren uns am meisten.“

„Wann denn?“

„Dienstag, der so-und-sote.“

„Da ist aber ein WM-Spiel.“

„Aber die Deutschen spielen ja nicht, das interessiert ja dann niemand.“ mak

Der Vorsatz
: Gönnerhafte Kneipengespräche

In den Kneipen der Stadt sind mir vornehmlich zwei Reaktionen auf die WM begegnet: Einmal jene, die sich immer wieder wohlwollend versicherten, dass das ja ganz vorzüglicher Fußball sei. Das Lob galt immer auch einem selbst: Man hat die Zeichen der Zeit erkannt. Und dann natürlich zweitens jene, die bei jedem misslungenen Querpass auf die qualitativen Unterschiede zu einem Champions-League-Spiel hinwiesen; man müsse an den Frauenfußball schon die gleichen Ansprüche stellen wie an andere Spiele auch, alles andere sei doch gönnerhaft. So saßen wir da und ließen uns berieseln: Männer – es waren fast immer nur Männer –, die seit Jahren keine saubere Grätsche mehr gesetzt bekommen, ohne einen Achillessehnenriss zu riskieren. Wir glaubten, ein Recht darauf zu haben, gut unterhalten zu werden; ein Recht auf die seichte Liebe ohne Leiden, Begeisterung ohne Anstrengung. Ich muss wieder häufiger ins Stadion, dachte ich, Fernsehfußball will nichts von mir. Warum nicht zu Turbine, wenn das nicht dermaßen weit weg wäre! Ach, ach. fred