Wo Architektur Kunst werden will

Ein neuer Tempel für Berlin: Am 12. Juli eröffnet die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel

Von Brigitte Werneburg

Mit einem feierlichen Festakt in Anwesenheit von Angela Merkel wird am 12. Juli die James-Simon-Galerie in Berlin eröffnet. Das neue Empfangsgebäude der Museumsinsel wurde zwar, wie bei Berliner Bauvorhaben inzwischen üblich, Jahre später fertiggestellt und auch um ein vielfaches teurer als ursprünglich geplant. Doch bei dem von David Chipperfield Architects entworfenen Bau wurde von Anfang an mit Mitteln nicht geknausert, und das ist spürbar, steigt man die große Freitreppe empor.

Ins Innere gelangt, findet man sich in einer verdammt prächtigen Anlage wieder. Alles ist großzügig und mit hochwertigen Materialien ausgestaltet, die exquisit be- und verarbeitet sind. Selbst der hellgraue Sichtbeton schimmert in einer so seidenglatten Struktur, dass man ob des edlen Auftritts ins Staunen gerät. Nur das in dunkler Eiche streng bestuhlte Café auf der Hochkolonade scheint zu klein ausgefallen, bedenkt man die Besuchermassen, mit denen nach Fertigstellung des Umbaus des Pergamonmuseums gerechnet wird. Verwandelt sich das Café nach Ende der Besuchszeit in ein Edel-Restaurant mit gehobener Küche, sind die 90 Plätze im Innern und weitere 80 auf der Terrasse natürlich genau richtig geplant.

So glamourös, elegant und funktionstüchtig der Bau in seiner Innengestaltung erscheint, so fragwürdig tritt er in seiner äußeren Gestalt – riesig in den Dimensionen und ein bisschen plump im Spiel von massivem Sockel und extrem schlanken, krönenden Stützen – als weiterer, sechster Tempel der Museumsinsel auf. Sichtlich lastet zu viel Bedeutung auf dem Bauwerk als „architektonische Vision für die Museumsinsel“, wie David Chipperfield in der Presseerklärung zitiert wird. Wo Architektur Kunst werden will – wo also wie bei Chipperfield „nach einer Lesart für den Bau“ gesucht wird, „die über seinen Nutzen hinausgeht“ – da kann, wie der Architekt Adolf Loos einst feststellte, die Bauaufgabe nur das Grabmal sein.

Nun ja, ein Denkmal will der Bau sein, für den Namensgeber James Simon (1851–1932), einen der großen jüdischen Philanthropen und Mäzene in Berlin Anfang des 20. Jahrhunderts. Er stiftete den Kopf der Nofretete. (Wäre persönlich aber der ersten Rückgabeforderung aus Ägypten 1924 nachgekommen.) Ohne seinen Einsatz wie auch dem von Rudolf Mosse, Eduard Arnhold, Richard von Kaufmann, Gustav Jacobi und seinem Cousin Eduard Simon wären die Staatlichen Museen zu Berlin nicht, was sie heute sind. Was allzu lange verdrängt blieb, nachdem das nationalsozialistische Regime dieses jüdische Großbürgertum verleugnet, vertrieben und vernichtet hatte.

James Simons Kurzbiografie steht in schwarzen Lettern an der Stirnwand der Galerie. Die englische Übersetzung darunter, für das internationale Publikum, aber fehlt. Sie soll es auch nicht geben, sei sie doch aufgrund all der anderen Formen von Informationsmaterial, die es dazu in allen nur denkbaren Sprachen gebe, überflüssig, wie Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, beim Presserundgang meinte. Was aber, wenn man sich weder in Videofilmchen noch Faltblätter vertiefen möchte, bevor man den Rundgang in die Museen antritt? Warum muss die Wand rein deutsch bleiben?

Wäre die Familie Simon ebenso piefig in ihrer Haltung, würde sie den „Abend für James ­Simon“ am 12. Juli wohl nicht in Person von Ann und Timothy M. Simon mit ihrer Anwesenheit beehren. Von der James-Simon-Stiftung initiiert, wird es eine Podiumsdiskussion und eine Filmpräsentation zum Leben und Wirken des Mäzens geben. Die erste Sonderausstellung bestreitet die Gipsformerei, die ihr 200-jähriges Jubiläum feiert.