wortwechsel
: Wem nützt Boris Johnson?

Streit über die Rolle des von seiner Parteibasis zum Premierminister gekürten britischen Staatschefs. Über weibliche Trobadore und über Verbrechen an Frauen in Mexiko

Populist in Siegerpose, Downing Street, London Foto: Hannah McKay/reuters

Der Monsterclown

„Letztes Bollwerk gegen den Populismus“, taz vom 24. 7. 2019

Die anpassungsfähigste Eton-Version des Populismus soll uns vor dem Populismus schützen?! Was für ein gewagter und riskanter „Realismus“! Warum soll uns also nicht helfen: der seriöse Gauland gegen den fanatischen Höcke, der hundeliebende Hitler gegen den zynischen Himmler (oh, das ist schon Vergangenheit), die Professionalität von McDonald’s gegen die Anarchie des Fast Food?! Sollen wir ihn bemitleiden, gar Hoffnung setzen auf den Monsterclown in der Falle, die er selbst gebaut hat?!

Verblendung ist der Fluch der bösen Tat(en): Hätte die taz sich doch nicht mit jeder Schmierkampagne gegen Corbyn gemein gemacht! Im Wissen, dass es immer schlimmer werden kann, warte ich auf den realpolitischen Kommentar von Dominic Johnson, wenn die britische Kriegsmarine in der Enge von Hormus erscheint! Hans Steih, Kleve

Teufel gegen Beelzebub

„Letztes Bollwerk gegen den Populismus“, taz vom 24. 7. 2019

Letztes Bollwerk gegen Populismus – oder die Austreibung des Teufels durch Beelzebub. Herr Johnson, mit Verlaub, was haben Sie geraucht, als Sie den Kommentar zu Ihrem Namensvetter verfassten? „…und daher muss allen Verfechtern euro­päischer Werte an Boris Johnsons Erfolg gelegen sein …“ Mitnichten muss es das! Boris Johnson, dieser Ausbund an Chauvinismus, verkörpert nichts, aber auch gar nichts, an dem einem in der Wolle gefärbten Europäer gelegen sein könnte. Klaus-Joachim Heuser, Gütersloh

Höchst reaktionär

„Letztes Bollwerk gegen den Populismus“, „Erfrischender Wind gegen den Brexit“, „Politik ist kein Spiel“, taz vom 24. und 25. 7. 19

Seit einiger Zeit finde ich es sehr irritierend, dass Dominic Johnson, für die geografische Region Afrika zuständig, Artikel zum Brexit und jüngst auch zu Boris Johnson schreibt, wo die taz doch in Daniel Zylbersztajn einen ausgezeichneten Großbritannien-Reporter hat. Irritierend vor allem, weil Dominic Johnsons Analysen oft wenig mit der Wirklichkeit des Brexit in GB zu tun haben und außerdem höchst reaktionär daherkommen. Wie erfrischend, den brillanten Kommentar von Bettina Gaus zu lesen, der die Sache gut auf den Punkt bringt und zudem Stellung bezieht gegen die blauäugige Hoffnung, Boris Johnson sei der Retter vor dem Populismus, den er in der Realität wie kaum ein anderer systematisch vorantreibt – seinem Ego zuliebe. Tanja Müller, Manchester und Berlin

Exkommunizieren

„Salvini blockt mögliche Lösung zur Seenotrettung“, taz vom 24. 7. 2019

Was soll das Geschrei dieses angeblichen Europäers? Die Menschen ertrinken, und „Europa“ schaut diesem geifernden Politiker beim Hetzen zu. Unglaublich, wie sich das demokratische Europa am Nasenring von einem Menschenhasser vorführen lässt. Dabei wohnt und residiert doch der Papst um die Ecke. Gibt es eigentlich noch christliche Grundwerte wie Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit? Früher wurden solche Krakeeler doch exkommuniziert und mit Bann belegt. Es wird höchste Zeit, dass sich das Oberhaupt der katholischen Kirche lautstark und klar in die Debatte einbringt, wenn es nicht den Rest an Bedeutung verlieren möchte.

Uwe Barkow, Frankfurt am Main

Über die Trobairitze

„All you need is love“, taz vom 13./14. 7. 2019

Ein ausführlicher und sachgerechter Artikel zu Wolfram von Eschenbach. Im beigefügten Informationskasten über Minnegedichte wird lobenswerterweise auch darüber informiert, dass es neben den Trobadoren – Vorgänger der Minnesänger – auch weibliche Trobadore gab: die Trobairitze. In der Tat. Mehr als zwanzig Namen werden in der Literatur genannt. Alle heute fast unbekannt. Dabei haben sie damals eine eigenständige, aussagekräftige Lyrik entwickelt. Viele ihrer Lieder wurden überliefert. Heute mühsamst aufzufinden in alten Folien und nur wenigen Bibliotheken (zum Beispiel Bibliothèque National de France, Paris).

Die Trobairitze feierten auch die Liebe. Aber es war eine Sicht der Liebe, die ihrer Lebenswelt entsprach. Zunächst schrieben sie kritische Antwortgesänge auf die Loblieder der Männer, die die Frauen idealisierten. Dann wagten sie ihr lyrisches Ich selbst sprechen zu lassen. So wiesen sie darauf hin, die Freiheit zu haben, den Liebenden zu erhören oder ihn zurückzuweisen. Ja, ihn auch zu demütigen, wenn er sie verletzt hatte. Sie betonten die Fähigkeit der Frauen, eine selbstbestimmte sinnliche Liebe mit Männern leben zu können. Und sie priesen die Freuden der gleichgeschlechtlichen Zuwendung.

Es ist dies ein interessantes Kapitel, das aufzeigt, wie früh Frauen begonnen haben, sich einen Platz in der von Männern beherrschten literarischen Welt zu erobern und ihn mit eigenständigen kreativen Ideen auszufüllen. Und wie bedauerlich es ist, dass die Trobairitze vergessen wurden. Aber dieses Schicksal teilen sie ja mit vielen Frauen in der Geschichte, deren kreative Werke nicht mehr genannt werden. Rita Rosen, Wiesbaden

Mord an Männern

„Verbrechen mit System“, taz vom 18. 7. 19

In der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez kam es zu einer signifikanten Häufung ermordeter Frauen. Die überwiegende Anzahl der Gewaltopfer in der Stadt – etwa 95 Prozent – waren Männer. Bis dahin machten sie fast 100 Prozent aus. Ciudad Juárez ist eine Grenzstadt zu den USA mit Freiwirtschaftszone, deregulierten Produktionsverhältnissen, von denen viele internationale Konzerne profitierten. Die Stadt wurde zur Drehscheibe brutalen Drogenhandels. Die Profiteure sicherten ihre Geschäfte mittels Mafiabanden, Schlägertrupps und Killerkommandos ab. Die Frauenmorde waren kalkuliert und bedeuteten eine Steigerung dieses Terrors.

Wenn die Behörden von „Familiendramen“ sprachen, war das der Versuch der „Privatisierung“ der Morde und eine Ablenkung von den wirklichen Hintergründen. Die beiden Autorinnen machen dasselbe. Auch sie lenken von den „gesellschaftlichen“, kapitalistisch-wirtschaftsliberalistischen Hintergründen ab und nehmen eine „Privatisierung“ vor, wenn auch in einer anderen Spielart – als seien es Morde der (Ehe-)Männer oder Bekannten gewesen. Damit wird gesagt: Erstens: Die Morde an den Männern, die – mutmaßlich – von denselben Tätern verübt wurden, sind ihnen egal. Und zweitens suggerieren sie, dass es Männern egal ist, wenn Frauen ermordet werden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie diese Feministinnen aus dem spanischen Begriff für Frauenmorde („Feminicidios“) den Begriff „Femizid“ (allgemeiner Frauenmord) machten. Das ist nicht dasselbe und manipulativ. Dass die Frauenmorde in Ciudad Juárez als „crime against humanity“ eingestuft werden sollten, taugt nicht für einen Übertrag auf Deutschland und ist vor allem der Besonderheit dort geschuldet. Es zeigt aber andererseits auch, wie sehr sich die Gesellschaften mit den Morden an Männern abgefunden haben. Thomas Moser, Berlin

Das stimmt nicht

„Brennstoffzelle besiegt Tesla und Elektro-Audi“, taz vom 18. 7. 19

In Ihrem Beitrag findet sich die Schlussfolgerung: „Dabei brachte das batterieelektrische Auto bei Annahme des deutschen Strommixes keinen Vorteil gegenüber einem Dieselfahrzeug“ – was durch die zugrundeliegende und im Artikel auch zitierte Studie des Fraunhofer ISE nicht bestätigt wird. Die in der Studie dargelegte Datenbasis zeigt klar, dass Elektroautos, insbesondere bei fortschreitendem Ausbau der regenerativen Energieträger, eine immer früher auftretende ökologische Amortisierung erreichen und damit – egal ob Akku oder Brennstoffzelle – Vorteile gegenüber der Dieselverbrennung aufweisen. Stephan Werwer, Meckenheim