Wohnungslosigkeit in Berlin: Seltene Glücksgefühle kommen auf

Die Sozialsenatorin Elke Breitenbach stellt neue Leitlinien für die Wohnungslosenpolitik vor. Das macht vielen Hoffnung. Ein Wochenkommentar.

Wird die Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linken) alle Hoffnungen erfüllen können? Foto: dpa

Nun sind die Ergebnisse also da. Im Januar 2018 hat Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) alle, die irgendwie mit dem Thema Wohnungslosigkeit zu tun haben, zu einer Strategiekonferenz geladen. Neun Arbeitsgruppen und eine zweite Strategiekonferenz später legte sie dem Senat am Dienstag die neuen Leitlinien für die Wohnungslosenpolitik vor. Wenn es bei dem bleibt, was Breitenbach von dem Entwurf öffentlich gemacht hat, dann kann man sagen: Berlin kommt in Sachen Wohnungslosenpolitik einen Riesenschritt weiter.

Die bisherigen Leitlinien zu übertreffen war aber nicht so schwer. Sie stammen aus dem Jahr 1999. Sowohl die Realität als auch rechtliche Vorgaben haben sich seitdem verändert. In dem Papier stehen aber tatsächlich viele Dinge, die echte Neuerungen im Sinne der Wohnungs- und Obdachlosen wären.

Beispiel Mietschulden: Für die Übernahme sind die Jobcenter zuständig, die das unterschiedlich handhaben, ebenso wie die Sozialen Wohnhilfen der Bezirke. Sicherlich nicht wenige BerlinerInnen sind allein wegen schlechter Absprachen aus ihrer Wohnung geflogen. Hier soll es berlinweite Vorgaben und Kontrollen geben. Fachstellen in allen Bezirken sollen darauf achten, dass Menschen gar nicht erst wohnungslos werden.

Und es gibt noch viel mehr Pläne: So soll die Kältehilfe ihre Arbeit nicht nur im Winter, sondern ganzjährig koordinieren können. Breitenbach will dauerhaft eine Krankenwohnung anbieten. Es soll auch mehr Notunterkünfte für Frauen und Familien geben – sowie mehr Trägerwohnungen generell. Im Januar will die Sozialverwaltung die Obdachlosen auf der Straße zählen lassen, damit gäbe es erstmals ungefähre Zahlen – und eine Grundlage für die Diskussion.

Wie ernst es Rot-Rot-Grün mit der Neuausrichtung ist, wird sich bald zeigen

Angesichts dieser Ankündigungen wundert es nicht, dass VertreterInnen aus der Wohnungslosenhilfe euphorisch reagieren. Robert Veltmann vom sozialen Träger Gebewo, seit vielen Jahren in dem Bereich tätig, bezeichnet die Leitlinien als „großartig“. Beim Lesen des Entwurfs habe er regelrechte „Glücksgefühle“ gehabt. Und auch Kai-Gerrit Venske, Fachreferent für Wohnungslosenhilfe bei der Caritas, nennt die Leitlinien „einen Riesenschritt“ hin zu einer nachhaltigen Politik.

Bei all der Zustimmung gibt es jedoch auch Kritik: Venske zufolge sind zentrale Fragen im Umgang mit wohnungslosen EU-BürgerInnen nach wie vor ungelöst. Robert Veltmann vermisst konkrete Ziele – beispielsweise eine Festlegung, dass 90 Prozent der von einem Wohnungsverlust bedrohten Menschen eine aufsuchende Beratung bekommen sollen. Solche Vorgaben fehlten in dem Papier.

Die Begeisterung überwiegt aber klar. Ob sie anhält, hängt nun von Elke Breitenbach ab: Sie muss die geplanten Maßnahmen auch umsetzen. Viele kosten Geld. Wie ernst es Rot-Rot-Grün mit der neuen Wohnungslosenpolitik wirklich ist, wird sich bald zeigen: Ab August berät das Abgeordnetenhaus über den Doppelhaushalt 2020/2021.

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