Protest gegen Großbordell in Bremen: Hells Angels im Hintergrund

Ein Großbordell in der Bremer Duckwitzstraße ist genehmigt worden. Dabei hat die Geschäftsleiterin familiäre Verbindungen zu den Hells Angels.

Gegner des Bordells an der Duckwitzstraße protestieren mit Plakaten vor dem Gewerbeamt Bremen.

Vor dem Gewerbeamt Bremen wurde gegen das geplante Bordell protestiert – und gegen Prostitution Foto: lot

BREMEN | taz | „Sexuelle Ausbeutung ist nicht genehmigungsfähig“, „Vaterstaat als Zuhälter“ und „Solidarität mit Prostituierten“ – trotz aller kämpferischen Plakate: Der kleine Trupp, der am Donnerstagnachmittag vor dem Gewerbeamt gegen ein geplantes Bordell in der Duckwitzstraße protestiert, hat eigentlich schon verloren.

Denn seit dem 17. Juli steht fest: Die Gewerbegenehmigung ist erteilt, die letzte bürokratische Hürde beseitigt, der Weg fürs Laufhaus frei. Schon am 22. August, so kann man der Homepage des Betriebs entnehmen, soll eröffnet werden.

Protest gibt es gegen das Etablissement seit gut zwei Jahren. Das neue Bordell liegt am Rande eines Gewerbegebietes, doch nur wenige Meter weiter beginnt das bürgerlich-beschauliche Grolland.

Eine AnwohnerInnen-Initiative hatte sich schnell gegründet und über 500 Unterschriften gegen das Laufhaus gesammelt. Auch die Beiräte aus Neustadt und Huchting sowie Gewerbetreibende aus der Nachbarschaft protestierten gegen die Planungen.

„Nicht neben meinem Häuschen“ erklärt dabei nur einen Teil der Aufregung. Von Beginn an gab es Gerüchte, dass kriminelle Organisationen hinter den BetreiberInnenn steckten.

Thea Kleinert, „Bremer Initiative Stopp Sexkauf“

„Wenn ein Gesetz keine Grundlagen bietet, ein Bordell zu verhindern, macht sich der Staat zum Zuhälter“

Und auch der Ort selbst war umstritten: Auf dem Grundstück der ehemaligen Oelkers-Villa, in der das Bordell nun eingerichtet wurde, gab es im zweiten Weltkrieg ein Kriegsgefangenenlager. Eine Petition, um die Nutzung als Bordell auch aus Pietätsgründen zu unterlassen, wurde vom Petitionsausschuss abgelehnt – schließlich gäbe es „keine Pläne für die Errichtung einer Gedenkstätte zur Zwangsarbeit“ auf dem Gelände.

Das „Eros69“ ist Bremens erstes Laufhaus: Auf zwei Etagen können sich laut Betreibern die Frauen in 25 Zimmern, auch tageweise, einmieten. Einen fixen Eintrittspreis gibt es nicht, den Preis und die Art der sexuellen Dienstleistungen verhandeln die Prostituierten individuell mit den Freiern. Das klingt nach Selbstbestimmung.

Doch vor Kurzem haben sich die Hinweise auf kriminelle Verbindungen verdichtet: Wie Radio Bremen recherchiert hat, wird das „Eros69“ über die Firma „Joy Company“ aus Stuhr betrieben.

Geschäftsleiterin dort ist Martina Pröhl – Ehefrau von Andree Pröhl, der früher eine führende Figur der Bremer Hells Angels war und heute ein Charter in Delmenhorst leitet. Andree Pröhl wurde 2009 wegen schweren Menschenhandels und Zuhälterei verurteilt.

Der Anwalt der Joy Company weist jegliche Verbindungen des Betriebs zu den Hells Angels zurück, Andree Pröhl sei nicht involviert. Die Polizei teilt mit, dass sie zu Einzelpersonen keine Angaben machen dürfe. Auf Anfrage erklärt sie nur, dass sie alle „einschlägigen Ereignisse und Entwicklungen“ im Zusammenhang mit den Hells Angels aufmerksam beobachte und nie­drigschwellig „im Rahmen aller sich bietenden rechtlichen Möglichkeiten“ einschreite.

Zur Verhinderung des Bordellbetriebes gab es trotz aller Proteste von Anfang an keine großen Erfolgsaussichten. Der Bebauungsplan für das Gewerbegebiet an der Duckwitzstraße erlaubte eine Nutzung als „sonstiger Gewerbebetrieb“ – im ­April 2017 war der Bauantrag vom Bauressort daher bewilligt worden.

Auch die Betriebsgenehmigung des Gewerbeamtes stellte kein großes Hindernis dar, obwohl Betriebe durch das Pros­tituiertenschutzgesetz heute mehr Auflagen zu erfüllen haben; so müssen etwa ausreichend Schilder auf die Kondompflicht hinweisen.

„Sobald diese Erfordernisse abgearbeitet wurden, gab es aber keinen Grund mehr, die Erlaubnis nicht zu erteilen“, so Tim Cordßen, Pressesprecher des Wirtschaftssenators. Schließlich sollten Prostituierte Möglichkeiten haben, ihrem Beruf legal nachzugehen.

Fragwürdige Zuverlässigkeitsprüfung

Nur die Zuverlässigkeitsprüfung hätte womögliche eine Stolperfalle sein können: Nach dem Prostitutiertenschutzgesetz werden Betreiber daraufhin überprüft, ob sie bereits wegen einer gewerbebezogenen Straftat verurteilt wurden oder Mitglied in einer verbotenen Vereinigung sind. Auf die Betreiberin Martina Pröhl trifft das nicht zu.

Doch das Gewerberecht sieht als unzuverlässig auch diejenigen an, die „unzuverlässigen Dritten maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsleitung“ zubilligen. In Bremen weiß man nur, dass die Zuverlässigkeit trotz der direkten Verwandtschaft zu einem verurteilten Hells-Angels-Mitglied festgestellt wurde. Wie das Ganze geprüft wurde, das konnte die zuständige niedersächsische Wirtschaftsbehörde bis Redaktionsschluss nicht erklären.

Für die Protestierenden vor dem Gewerbeamt gibt es auch abseits der konkreten Umstände genug Gründe gegen das Bordell. „Für uns ist Prostitution immer sexuelle Ausbeutung“, sagt Thea Kleinert von der „Bremer Initiative Stopp Sexkauf“ (Biss).

„Wenn ein Gesetz keine Grundlagen bietet, ein Bordell zu verhindern, macht sich der Staat zum Zuhälter.“ Auch wenn der konkrete Kampf gegen das Bordell in der Duckwitzstraße verloren ist: Die Initiative will weiter auf ihr Anliegen aufmerksam machen. Gemeinsam mit Terre de Femmes wirbt sie für ein Prostitutionsverbot nach schwedischem Vorbild.

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