Massenproteste in Hongkong: Hongkongs Journalisten wehren sich

Seit Wochen wird in Hongkong gegen die Regierung demonstriert. Für die Presse wird das immer gefährlicher – jetzt protestieren die Journalisten.

14.07.2019, Hongkong: Journalisten halten bei dem Marsch ein Banner mit der Aufschrift "stop police violence, defend press freedom"

1.500 Menschen forderten das Ende der Gewalt gegen Reporter Foto: dpa

In der autonomen südchinesischen Sonderzone Hongkong wird seit Wochen heftig gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz und die pekinghörige lokale Regierung demonstriert. Die Massenproteste in Hongkong sind meist friedlich, doch kam es auch schon mehrfach zu Zusammenstößen mit der Polizei, wie am letzten Wochenende im Vorort Shatin. Die Beamten treten immer aggressiver auf. Der Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken hat zugenommen. Auch wurden schon Gummigeschosse eingesetzt, was früher in Hongkong undenkbar war.

Stets berichten Hongkongs Journalisten von vorderster Front. Dabei tragen die Reporter und Pressefotografen inzwischen Helme, Schutzbrillen und neongelbe Warnwesten mit der Aufschrift „Presse“ in Englisch und in chinesischen Langzeichen. Trotz ihrer deutlichen Kennzeichnung werden Journalisten immer wieder zur Zielscheibe von Gewalt der Polizei und vereinzelt auch von Demonstranten. Bereits seit einigen Wochen wehren sie sich, darauf bestehend, dass die Pressefreiheit zu den Versprechen gehört, die mit der Rückgabe der früheren Kronkolonie an China 1997 nach der Formel „ein Land, zwei Systeme“ gegeben wurde. In Honkong sind die Medien weiterhin freier als die auf dem chinesischen Festland. Doch sehen alle Beobachter eine Verschlechterung.

Aus Protest gegen die Polizeiübergriffe erschienen kürzlich die Berichterstatter auf einer Pressekonferenz im Polizeipräsidium mit aufgesetzten Helmen und in grellen Warnwesten. Hongkongs Journalistenverband HKJA beschwerte sich offiziell in 27 Fällen über Angriffe auf gekennzeichnete Journalisten. Zehn Fälle betrafen den gezielten Beschuss einzelner Journalisten mit Tränengas, drei Fälle Schlagstockeinsatz gegen Pressevertreter, ein Fall Beschuss mit Gummi­schrot und die restlichen Fälle das Stoßen, Schubsen und Wegdrängen mit Polizeischildern.

In Trauerkleidung auf die Straße

Weil Journalistenvertreter auch nach einem Gespräch mit der Polizeiführung nicht beruhigt waren, riefen sieben Medienorganisationen zu einem Schweigemarsch am letzten Sonntag auf. „Immer wieder müssen Journalisten um ihre eigene Sicherheit kämpfen“, heißt es im Aufruf. „Die Ironie ist, dass die Hauptquelle der Bedrohung von den Gesetzeshütern vor Ort ausgeht.“ 1.500 in schwarze Trauerkleidung gehüllte Journalisten zogen zum Polizeipräsidium und forderten das Ende der Gewalt gegen Reporter und eine Untersuchung bisheriger Fälle. „Journalisten mit Tränengas zu beschießen ist völlig inakzeptabel“, sagte der HKJA-Vorsitzende Chris Yeung.

Parallel dazu startete HKJA eine Crowdsourcing-Plattform im Internet für einen Schutzfonds. Der soll Journalisten unterstützen, sich gerichtlich gegen Übergriffe und Schikanen zu wehren. Doch brachten Unbekannte laut HKJA sogleich eine gefälschte Plattform in Umlauf, offenbar um die Aktion zu torpedieren.

HKJA protestierte aber auch gegen Einschüchterungen eines Kamerateams des Peking-freundlichen Hongkonger Senders TVB am letzten Wochenende in Shatin. In Anlehnung an Chinas Zentralfernsehen CCTV, ein Propagandaorgan der Kommunistischen Partei, wird TVB in Hongkong als CCTVB verspottet. Seit 1997 hat China durch Kapitalbeteiligungen immer stärker Einfluss auf Hongkongs Medien gewonnen. So gehört die einflussreiche englischsprachige South China Morning Post seit 2016 dem IT-Konzern Ali Baba des chinesischen Tycoons Jack Ma. Schon vor dem Eigentümerwechsel hatten immer mehr Peking-kritische Journalisten das Blatt verlassen.

Im Ranking der Pressefreiheit liegt Hongkong inzwischen auf Platz 70 von 180 Staaten

Bedrohte ab 1997 vor allem Selbstzensur Hongkongs Pressefreiheit, so löste inzwischen auch die Regierung wie etwa mit der faktische Ausweisung des Financial-Times-Journalisten Victor Mallet im Oktober 2018 Ängste aus. Er hatte als amtierender Vorsitzender des Clubs der Auslandskorrespondenten eine Diskussion mit dem Vertreter einer inzwischen verbotenen Splitterpartei geleitet, die Hongkongs Unabhängigkeit anstrebt. Im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Hongkong inzwischen auf Platz 70 von insgesamt 180 Staaten. Zehn Jahre zuvor war es noch Rang 48 gewesen.

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