Erfolgreicher Leisetreter

Emanuel Buchmann steht plötzlich in den Top 5 der Tour de France. Wenn er aus seinen Fehlern gelernt hat, kann er auch am Ende weit oben stehen

Emanuel Buchmann ist kein Mann der großen Sprüche. Selbst als er erfuhr, dass er gerade in die Top 5 der Tour de France vorgestoßen war, lächelte er nur scheu – und sagte: „Das hört sich sehr gut an, es wäre sehr schön, wenn es so wäre.“ Er blieb im Konjunktiv, brach nicht in Jubel aus, gebärdete sich nicht als Star. Denn der stille Ravensburger wusste, er hat erst ein Teilziel erreicht. „Fehlerfrei durch die erste Woche kommen und möglichst keine Zeit verlieren“, hatte der 26-Jährige als Ziel für die erste Woche ausgegeben.

Das ist erreicht. Zwar verlor er doch etwas Zeit, 33 Sekunden auf Titelverteidiger Geraint Thomas. 26 Sekunden stammen aus dem Team-Zeitfahren, Ineos war da auch schneller erwartet worden. Sieben Sekunden fügte Thomas bei seinem Bergsprint auf der Planche des Belles Filles hinzu. Dass jetzt Thomas als Maßstab für Buchmann gilt, ist allerdings ein gewaltiger Schritt. Aber auch angemessen. Denn den meisten Rivalen nahm Buchmann am Montag eine Minute und mehr ab. Es war Resultat einer respektablen Mannschaftsleistung. Buchmanns Team Bora-hansgrohe fuhr sehr aufmerksam, als der Seitenwind ins Peloton stob. Gleich sechs der acht Fahrer waren vorn, als das Feld sich lang hinzog und schließlich riss. Die Helfer im Team machten Druck, sorgten – gemeinsam mit den Teams Ineos und Deceuninck-Quick-Step – dafür, dass der Abstand zu den Rivalen wuchs und wuchs.

Jetzt liegt Buchmann auf Platz 5 im Gesamtklassement. Seit den Zeiten eines Jan Ullrich und Andreas Klöden hat es das nicht mehr gegeben. Gut, deutsche Profis hatten auch seitdem immer mal wieder das Gelbe Trikot übergestreift. Aber meist waren es Sprinter. Der einzige Rundfahrer, der mal besser war, war 2007 Linus Gerdemann. Aber er war zu instabil, um die Top 10 in Paris anpeilen zu können.

Buchmann hat dies vor. Am Freitag, beim Zeitfahren in Pau, steht die nächste Bewährungsprobe für ihn bevor. Und dann die Berge, Tourmalet, Galibier und wie sie alle heißen. Buchmann kennt sie. Er hat drei Höhentrainingslager vor der Tour absolviert. Er ist bereit dafür. Allerdings muss er es besser machen als noch im letzten Jahr in Spanien. Bei der Vuelta war er erstmals als Kapitän bei einer Grand Tour gestartet. Auch da war er in der ersten Woche sehr stark, lag dank einer aggressiven und mutigen Fahrweise sogar lange auf den Plätzen 2 bis 4. Am Ende aber baute er ab, kam nicht einmal mehr in die Top 10. Welche Lehren er daraus gezogen hat? Das werden die nächsten Tage zeigen. Tom Mustroph