Queerpolitik wird stärker

Seit Jahren gibt es einen „Landesaktionsplan gegen Homo-, Trans- und Interphobie“, aber umgesetzt wurde davon wenig. Laut Koalitionsvertrag soll sich das künftig ändern

Sind seit Kurzem neutral deklariert: die Toiletten in der Bürgerschaft Foto: Kay Michalak/fotoetage

Von Eiken Bruhn

Queerfreundlich will Bremen schon lange sein, bereits seit 2015 gibt es einen „Landesaktionsplan gegen Homo-, Trans- und Interphobie“. Doch allzu oft erklärte Rot-Grün in der Vergangenheit konkrete Maßnahmen, die die Fraktion der Linken forderte, für nicht notwendig.

Ein Wohnheim für queere Geflüchtete zum Beispiel: Menschen, die in Massenunterkünften aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung Probleme bekämen, würden „individuell unterstützt“, schrieb der Senat 2016 in einer Antwort an die Linksfraktion. Zudem werde die Situation in den Heimen so verbessert, dass alle davon profitierten.

Ein eigenes Wohnheim wird es jetzt zwar auch nicht geben – aber eine Wohnung. „In Bremen werden Wohnungen für junge queere Menschen bereitgestellt, die familiär von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind“, heißt es im Entwurf des rot-grün-roten Koalitionsvertrags – der allerdings bekanntermaßen noch unter dem Vorbehalt steht, dass nicht für alles Geld da sein wird, was jetzt versprochen wird.

Doch dieses Vorhaben ist ein Zeichen dafür, dass aus queerpolitischer Sicht die Dreier-Koalition Vorteile gegenüber RotGrün hat. Weitere Beispiele: Es soll sowohl eine Koordinationsstelle im Senat geben, um den Landesaktionsplan „konsequent umzusetzen“, als auch eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle. Zudem soll das Beratungsangebot ausgeweitet werden.

Das Rat-&-Tat-Zentrum für queeres Leben solle finanziell besser ausgestattet werden, heißt es im Vertragsentwurf. Explizit wird dabei „ein eigenes zentrales Trans*/Inter*-Beratungsangebot“ genannt. Noch vor sieben Jahren wollte der Senat dies nicht, sondern stattdessen Erziehungsberatungsstellen „auffordern, sich mit der Thematik der Intersexualität auseinanderzusetzen und wo nötig und möglich, entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote zu besuchen“.

Noch in diesem Februar hatte der Senat auf eine Anfrage der Linken behauptet, das Rat-&-Tat-Zentrum sowie Pro Familia seien Anlaufstellen für Intergeschlechtliche, ihre Angehörigen und Fachkräfte. Beide Beratungsstellen hatten der taz allerdings gesagt, sie hätten dafür weder Kapazitäten noch seien sie dafür qualifiziert. Eltern, deren Kind sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen ließ, müssen daher nach Emden oder Hamburg fahren. Das soll sich nun ändern.

Voraussichtlich wird der Verein Trans-Recht, der bisher nur Trans*-Menschen beraten hat, in Zukunft auch zum Thema Inter* beraten. Er macht die Trans*-Beratung seit 2014, seit drei Jahren bekommt er von der Stadt Geld für 16 Beratungsstunden im Monat. Das reiche aber bei weitem nicht aus, sagt Maike Sophie Mittelstädt vom Vorstand des Vereins. Die Sprechstunde, die einmal im Monat angeboten wird, sei ausgebucht und die Online- und Telefonberatung „machen die Berater*innen zum Teil außerhalb der Zeit, für die sie bezahlt werden“, sagt Mittelstädt.

Voraussichtlich wird der Verein Trans-Recht, der bisher nur Trans*-Menschen beraten hat, in Zukunft auch zum Thema Inter* beraten

Dabei steige der Bedarf kontinuierlich: 2014 hätten sie 37 Beratungen durchgeführt, 2018 seien es schon 195 gewesen. Der Grund für die Zunahme: Zum einen wuchs in den vergangenen Jahren die Zahl derjenigen, die ihren Personenstand gerichtlich änderten, von Frau zu Mann und umgekehrt. Andere Statistiken zeigen, dass international immer mehr Menschen gegengeschlechtliche Hormone verschrieben bekommen beziehungsweise geschlechtsangleichende Operationen wünschten.

Zum anderen, sagt Mittelstädt, habe es einige Neuerungen gegeben: Neben der Möglichkeit eines dritten Geschlechtseintrags „divers“ im Personenstandsregister wurden die medizinischen Richtlinien überarbeitet. Trans*-Menschen müssen nicht mehr im sogenannten „Alltagstest“ ihr Trans*sein nachweisen. Und es gibt keine Mindestdauer von einem Jahr mehr, in der sich Betroffene psychotherapeutisch behandeln lassen müssen.

Für die queerpolitische Sprecherin der Linken, Maja Tegeler, sind die Vorhaben ein guter Anfang. Wichtig sei ihr aber noch eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Trans*-Menschen in Bremen. So gibt es anders als in Hamburg oder Hannover keine Endokrinolog*innen, die qualifiziert sind, gegengeschlechtliche Hormone zu verschreiben.