Mietwohnungen in Hamburg: Vermieter auf Renditerallye

Umgelegte Modernisierungskosten und überhöhte Nebenkosten: Manche Wohnungsvermieter hebeln Mietobergrenzen aus und kassieren so (fast) legal ab.

Blick von unten auf graue Hochhäuser am Gropiusring in Hamburg. Die Sonne scheint, ein paar Baumspitzen ragen ins Bild.

Energetische Modernisierung bringt Rendite, zum Beispiel im Hamburger Stadtteil Steilshoop Foto: Andrea Kueppers

HAMBURG taz | 40 Prozent mehr Miete und das ganz legal. Vermieter in Hamburg nutzen Gesetzes- und Regelungslücken schamlos aus, um die MieterInnen trotz Miet­obergrenzen und Mietpreisbindungen ordentlich zur Kasse zu bitten. Besonders beliebt: Die Erhöhung der Nebenkosten oder saftige Modernisierungsumlagen, die zu exorbitanten Mietsteigerungen führen.

So erhöhte Deutschlands größter Wohnungskonzern, die Vonovia, jetzt die Grundmiete für 359 ehemalige Sozialwohnungen in Steilshoop drastisch: Um nach Vonovia-Angaben durchschnittlich 30, im Einzelfall aber sogar um über 40 Prozent.

Der Grund: Der in Bochum ansässige Konzern mit einem Bestand von bundesweit 358.000 Wohnungen hat die Wohnkomplexe am Gropius­ring und in der Fehlinghöhe aufwendig modernisiert, verpasste den Fassaden eine wärmedämmende Außenhaut. Nun legt er die Kosten von über 3, 4 Millionen Euro ganz legal auf die, meist sozial schwachen, MieterInnen um.

So steigt die Grundmiete im Fall der Mieterin Dorota M. zum 1. September auf einen Schlag um über 41 Prozent, von 377,59 auf 532,82 Euro. Obwohl zumindest die Heizkosten aufgrund der Wärmedämmung sinken dürften, verweigert die Vonavia der Mieterin zudem eine Senkung der Heizkostenvorauszahlung.

SozialhilfeempfängerInnen bekommen Schwierigkeiten

Viele MieterInnen können eine Mietsteigerung von über 40 Prozent nicht aufbringen, andere, von staatlichen Transferleistungen wie Sozialhilfe oder Grundsicherung abhängige Mieterinnen wie Dorota M. geraten durch die Mieterhöhung über die zulässige Grenze von 495 Euro, die für einen Einpersonenhaushalt als angemessen gilt.

Silvia Sonnemann von Mieter helfen Mietern sagt: „Frau M. kann jetzt gezwungen werden, umzuziehen und sich eine Wohnung zu suchen, die die Höchstbemessung nicht übersteigt.“ Immerhin: Für solche Fälle hat die Vonovia extra ein „Härtefall-Management“ vor Ort installiert.

Vonovia-Sprecher Matthias Wulff gibt sich sozial: „Und ist es wichtig, dass keiner unserer Mieterinnen und Mieter ausziehen muss. Wenn jemand die Miete nach Modernisierung nicht bezahlen kann, dann besprechen wir dies gerne persönlich mit dem Mieter und finden eine Lösung.“

Die MieterInnen zahlen, der Vermieter bekommt die Rendite

An den exorbitanten Mietsteigerungen ändert das erst mal nichts. Denn Wohnungsmodernisierungen bescheren Vermietern oft dicke Gewinne. So kann die Vonovia elf Prozent der Modernisierungskosten jährlich auf ihre MieterInnen umlegen – inzwischen wurde die Umlagequote vom Gesetzgeber für zukünftige Modernisierungen auf acht Prozent gesenkt. Nach gut neun Jahren haben die MieterInnen dann die Modernisierungsmaßnahmen komplett bezahlt, die hohen Mieten aber bleiben bestehen und bescheren dem Vermieter exzellente Renditen.

So wurde die seit 2015 börsennotierte Vonovia unlängst aufgrund der hohen Dividendenausschüttungen an ihre Aktionäre in den Div-Dax aufgenommen, in dem die dividendenstärkere Hälfte der 30 Dax-Unternehmenswerte versammelt sind. Der Dienst www.boerse-online.de pries vor wenigen Tagen seinen LeserInnen die Vonovia-Aktie mit den Worten an: „Operativ läuft es dank deutlichen Mietsteigerungen im Bestand (…) ohnehin rund.“

Damit wird die Vonovia zur großen Umverteilungsmaschine: Sie schröpft sozial schwache MieterInnen und schüttet das Geld an diejenigen aus, die sich Aktiendepots leisten können – und das alles ganz legal. Sylvia Sonnemann sieht bei der Modernisierungsumlage eine Gesetzeslücke: „Der Gesetzgeber hätte eine prozentuale Obergrenze für Mieterhöhungen nach Modernisierungen – etwa von 20 Prozent – festlegen müssen.“

Auch kleine Vermieter umgehen die Mietobergrenzen

Doch nicht nur große Dax-Unternehmen, auch kleine Hamburger Vermieter versuchen, aus ihren Mietern möglichst viel rauszupressen und umgehen dabei geschickt die Mietobergrenzen. So verpflichtete sich eine Erbengemeinschaft, die Sozialwohnungen am Langenhegen in Nienstedten errichtete, gegenüber der Hamburgischen Investitions- und Förderbank, die die Wohnungen finanziert, eine Eingangsmiete von 8,50 Euro nicht zu überschreiten.

Doch Obergrenzen für die „zweite Miete“, die Betriebskosten, gibt es nicht. Die Folge: Zwei Jahre nach der Fertigstellung des Neubaus erhöhte die Erbengemeinschaft die Betriebskosten-Vorauszahlung mal eben um über 25 Prozent und forderte von ihren MieterInnen zudem noch eine kräftige Nachzahlung für die Betriebskosten des vergangenen Jahres. Diese liegen nun weit über dem aktuellen Hamburger Durchschnitt von 2,01 Euro pro Quadratmeter.

Ein Grund: Die Eigentümer, die selbst aus der Gärtnerei-Branche kommen, verordneten den Neubauten einen exquisiten Ziergarten und legten die Kosten von über 7.000 Euro auf die MieterInnen um. Die müssen für Gartenpflege nun viermal so viel zahlen wie in Hamburg üblich.

Die MieterInnen haben wenig Rechtssicherheit

„Wenn Wohnungsbau staatlich gefördert wird, müssen nicht nur für die Grundmieten, sondern auch für die Betriebskosten Obergrenzen festgelegt werden“, fordert Silvia Sonnemann. Solange das nicht der Fall sei, hätten MieterInnen nur ein stumpfes Schwert, um rechtlich gegen explodierende Betriebskosten vorzugehen.

Paragraf 20 der Neubaumietenverordnung sieht vor, dass nur Kosten auf die Mieter umgelegt werden dürfen, „die bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigt sind“. Doch dies ist auch laut Einschätzung von Mieter helfen Mietern ein Gummiparagraf, der den Geschröpften vor Gericht wenig Rechtssicherheit bietet.

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