Libra von Facebook funktioniert nicht: Kein Geld, sondern Quatsch

Facebook erfindet eine digitale Währung „Libra“, die global und billig sein soll. Doch das ist nur der Versuch, die Kunden abzuzocken.

Foto zeigt ein Smartphone mit Facebook-Logo. Im Hintergrund taucht das Icon für Libra auf

Libra existiert noch gar nicht, aber Facebook macht schon kräftig Werbung Foto: dpa/Kay Nietfeld

Facebook will eine neue digitale Währung einführen, die „Libra“ heißen soll. Kaum war diese Nachricht in der Welt, kannte die Fantasie keine Grenzen mehr. Es wurde fabuliert, dass Face­book die Zentralbanken entmachten und die Libra zur neuen Weltwährung aufsteigen könnte. Wieder wurde geträumt, dass es Geld ­geben könnte, das keinen Staat braucht. Freies Geld für freie Individuen! Libra wie libre.

In diesem Hype ging die eigentliche Frage unter: Wozu braucht man dieses digitale Geld? Euro oder Dollar reichen doch, um den Zahlungsverkehr abzuwickeln. Facebook schwärmt zwar, dass sich mit der neuen Libra völlig neue Konsummöglichkeiten auf dem Smartphone eröffnen würden – aber es sind längst Milliarden Konsumenten online unterwegs. Ohne Libra. Bestimmt lassen sich die Kundenplattformen noch optimieren, aber eine neue Währung ist dafür nicht nötig.

Facebook weiß natürlich auch, dass die Libra völlig überflüssig ist, weswegen kunstvoll mit Mythen gespielt wird. Niemals wird vergessen zu erwähnen, dass Libra eine „Kryptowährung“ sei, die mit „Blockchain“ arbeiten soll. Das klingt so geheimnisvoll und technisch gewieft, dass nicht mehr auffällt, dass es sich um den totalen Humbug handelt.

Um von vorn anzufangen: Facebook will die Libra nicht allein herausbringen, sondern es soll sich ein Konsortium bilden, zu dem unter anderem auch Konzerne wie Mastercard, Visa, Paypal, Ebay, Spotify oder Uber gehören. Dieses Non-Profit-Konsortium verwaltet dann die Libra, die wiederum durch einen Währungskorb gedeckt sein soll, in dem anteilig Dollar, Euro, Pfund, Yen, der chinesische Renminbi und auch andere Devisen vertreten sind.

Nur noch Libra statt Pfund oder Euro

Die Libra soll also wie eine Art Staubsauger für die Währungen dieser Welt funktionieren: Deutsche Kunden würden Euro einzahlen – und dafür dann Libra bekommen. Dieses Geld könnten sie auf ihrem Libra-Konto liegen lassen, aber auch nutzen, um über Facebook auf Shopping-Tour zu gehen. Versprochen wird, dass dieses neue Digitalgeld absolut stabil wäre, eben weil die Libra durch so viele Währungen gedeckt sein soll.

Das klingt plausibel, ist aber Murks. Die Libra wäre zwar stabil – aber nur gegenüber dem Währungskorb. Diese Tatsache würde den Kunden in Deutschland jedoch nichts nutzen, denn gegenüber dem Euro würde die Libra weiterhin schwanken.

Man stelle sich einmal vor, dass die Eurozone wieder in eine Krise geriete – dann würde der Euro stark gegenüber Dollar, Pfund, Renminbi oder Yen abwerten. Also würde der Euro auch gegenüber der Libra deutlich an Wert verlieren, deren Währungskorb ja zu einem großen Teil aus den anderen Währungen bestehen soll. Die deutschen Kunden müssten plötzlich mehr Euro zahlen, um eine Libra zu erhalten.

Umgekehrt könnten sie Spekulationsgewinne erzielen, falls sie ihre Libra-Konten auflösen und in Euro umtauschen würden. In Deutschland gäbe es also plötzlich zwei Währungen, die gegeneinander schwanken. Das hat noch nie funktioniert.

Libra ist keine Weltwährung

Facebook ignoriert diese Probleme, indem einfach so getan wird, als wäre die Libra sowieso die neue Weltwährung. Auch das ist Unsinn. Nur weil Facebook eine Libra einführt, werden die deutschen Unternehmen ihre Angestellten noch lange nicht in dieser neuen Digitalwährung entlohnen. Auch die Beschäftigten hätten keinerlei Interesse daran, plötzlich Libra auf ihren Konten vorzufinden, denn Steuern und Sozialabgaben müssten sie weiterhin in Euro entrichten.

Was also soll die Libra? Warum sollen Kunden, die überall in Euro zahlen können, sich plötzlich ein Konto mit einer privaten Fremdwährung namens Libra zulegen, nur um am Ende ein Buch bei Amazon zu bestellen, jetzt via Facebook, das sie vorher auch schon online kaufen konnten? Es bleibt ein Rätsel.

Um von diesen lästigen Fragen abzulenken, raunt Facebook immerzu, dass das neue Digitalgeld eine „Kryptowährung“ sei, die auf „Blockchain“ basiere. Blockchain ist eine Computertechnologie, mit der es möglich sein soll, Konten dezentral zu verwalten. Versprochen wird ein Reich der Freiheit, wo jeder seinen Zahlungsverkehr abwickeln kann, ohne auf Banken oder Staaten angewiesen zu sein. So weit die Theorie. In der Praxis ist Blockchain so langsam und umständlich, dass es im normalen Leben nirgends genutzt wird.

Auch die Libra wird in Wahrheit niemals mit einer echten Blockchain-Techologie laufen, wie Facebook schon zugeben musste. Trotzdem ist „Blockchain“ ein magisches Wort, auf das der Internetkonzern nicht verzichten möchte. Denn diese Technologie wurde zum ersten Mal verwendet, um „Bitcoins“ zu programmieren, die die digitale Fantasie seit Jahren beflügeln: Allein im vergangenen Monat schwankte der Kurs eines Bitcoins zwischen 8.000 und knapp 13.000 Dollar.

Libra ist kein Bitcoin

Bitcoins funktionieren völlig anders als die geplante Libra, weil jeder Weltbürger eigene Bitcoins „schürfen“ kann, indem sein Computer die nötigen Rätsel löst. Allerdings ist die Maximalzahl der Bitcoins auf 21 Millionen Stück begrenzt, und je mehr Bitcoins es schon gibt, umso größer wird der Computeraufwand, um weitere Bitcoins herzustellen. Inzwischen verbrauchen die Bitcoin-Fans schon so viel Energie wie ganz Sri Lanka.

Bitcoins sind kein Geld, sondern ein Spiel, das immer teurer wird. Fast niemand kann mehr mitspielen, was bei vielen eine nagende Sehnsucht hinterlässt. Denn Bitcoin schien die ultimative Freiheit zu versprechen: Was kann schöner sein, als eigenes Geld herzustellen? Man sitzt am Computer und kann sich hinterher ein echtes Auto kaufen.

Diese Sehnsucht nach dem Schlaraffenland will Facebook nun kommerziell nutzen. Den heimatlosen Bitcoin-Fans wird versprochen, dass sie eine neue „Kryptowährung“ bekommen, mit der sie unbeschränkt einkaufen können. Ach ja, vorher müssen sie zwar echtes Geld zahlen, zum Beispiel Euro, aber das fällt hoffentlich nicht mehr auf, wenn man dann endlich Libra in Händen hält.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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